Sonntag, 27. Juni 2010

Israelisches Tagebuch 33

Liebe Freunde,

es ist nicht einfach, den Spagat zwischen dem Persönlichen und dem Politischen hinzukriegen. Die letzten Einträge beschäftigten sich ja hauptsächlich mit meinem Land, mit dem Aktuellen, und nicht mit dem gewöhnten "ich habe dies gemacht, und jenes gesehen". Ich weiß auch dass es inzwischen viele gibt, die diesen Blog lesen, die mich gar nicht kennen, und meine Texte als eine Art "israelische Botschaft" auf Deutsch verstehen.

Dieser Blog entstand aber um meinen Freunden in Deutschland über mein Leben hier in Israel zu berichten, um den Kontakt zu erhalten, und – und das gebe ich zu – mir das Gefühl zu geben, durch deutsche Worte mein deutsches Leben aufrecht zu erhalten. Vielleicht sollte ich einfach eine gute Mischung finden, ein bisschen besetzte Gebiete und ein bisschen Hornspielen an der Oper, Palästinenser und Kollegen, UNO und Familie.

Vor einigen Tagen habe ich einen zehn jährigen Jungen unterrichtet. Normalerweise, wenn man mich hier anspricht ob ich Unterricht gebe, geht es um die deutsche Sprache. Es gibt hier viele, die sich eine goldene Zukunft in Deutschland ausmahlen, die sich in großen Konzertsälen sehen, mit Namenhaften Dirigenten und in Euro ausgezahlten Gehältern. Also muss ich mich an meine ersten Schritte auf Deutsch erinnern, und ihnen beibringen dass es "das Glas steht auf dem Tisch" aber "ich habe das Glas auf den Tisch hingelegt" heißt, also Akkusativ – Maskulin – Singular und so was. Der Junge aber, den ich unterrichtet habe, ist der Sohn eines Kollegen, und er braucht einen Hornlehrer. Da er in einer Stadt wohnt die an der Strecke zwischen Tel Aviv und Jerusalem liegt, habe ich ihn auf dem Weg zu meinen Eltern, die ja in Jerusalem leben, besucht.

Ich erspare Euch die Einzelheiten, obwohl sie horn-technisch sehr spannend sind. Dieser Junge ist aber so alt wie ich es war, als ich mit dem Hornspielen anfing. Ich habe ihn angeschaut, wie er mit seinen großen Augen und dam für ihn viel zu großen Horn da saß, und habe mich, wie soll es anderes sein, an mich erinnert. Er ist begabt – er spielt auf jeden Fall besser, als ich damals, und wenn er weiter so macht wird aus ihm eines Tages ein richtiger Hornist werden. Aber was dann? Ich kenne ja diese Laufbahn. Ich weiß wo sie hinführt. Sie führt ins Ausland. Sie führt ins Exil. Vielleicht denkt Ihr, es ist lächerlich sich so was zu denken bei dem ersten Unterricht von einem zehnjährigen, aber ich konnte es nicht vermeiden. Er saß da mit seinen neugierigen Augen und hat Fragen über Fragen gestellt, er wollte wissen wie es ist, Hornist zu sein, und wo ich studiert und gespielt habe. Und ich dachte mir – sei nicht zu neugierig Junge, frag nicht zu viel, nicht dass Du Dich eines Tages in einem anderen Land findest, oder schlimmer, dass Du Dich wie mich fühlst – fremd in Deinem eigenen Vaterland.

Darf ich mich nochmals entschuldigen wegen meiner zu sentimentalen Art? Ich bin nun mal ein Israeli…

Ich habe eine gute Mischung versprochen, also gehe ich ins Aktuelle rüber, ich habe nämlich ein Paar Anekdoten für Euch gesammelt, die ich sehr amüsant finde. Zum Beispielt, ein Straßenschild, das so lustig ist, das es sogar ein Bild davon in "Haaretz" Zeitung gegeben hat. Es handelt sich um ein Schild an der Straße 443, zwischen Jerusalem und Tel Aviv. Es ist nicht die normale Straße, die jeder kennt, sondern die, die durch die besetzten Gebiete führt (und wenige Staus und Radarkontrollen hat). Neulich hat das oberste Gericht ein Urteil ausgesprochen, wonach es auch für Palästinenser erlaubt sein soll durch diese Straße zu fahren. Es ergibt aber das Problem, dass Israelis sich verfahren könnten, und in palästinensische Dörfer hereinfahren könnten. Das sollte man aber als Israeli vermeiden, es kann ja bös ausgehen. Also hat man ein Schild hingestellt – mitten in dem, was mein Ministerpräsident "Das ewige Land unserer Vorväter, das Versprechen Gottes zu Abraham" nennet – mit der einfachen Worten – "Israeli, wenn Du soweit gekommen bist, hast Du Dich verirrt". Die Möglichkeiten, in diesem Satz versteckte Botschaften zu finden, sind ja annährend grenzenlos. Ich verzichte aber darauf, und überlasse es Eurer Vorstellungskraft.

Eine andere Anekdote handelt sich um eine Radiowerbung für Brillen. Es ist nun mal so dass viele Israelis immer noch ein Problem mit Deutschland haben, was man ja verstehen kann. Unter diesen Leuten gibt es aber oft solche, die dann einen Benz fahren, oder eine AEG-Waschmachine zuhause haben, oder einfach ihr tägliches Joggen mit "Adidas" genießen. Es erinnert einen ja an den Witz mit dem Juden, der in Deutschland zum Metzger geht. "Ich will den Fisch da bitte haben" sagt er. "Oh, es ist aber Schwein", sagt der Metzger. "Ich will nicht wissen, wie der Fisch heißt", erwidert der Jude.

Die Radiowerbung, übrigens, lautet ungefähr so: "Es gibt französische, englische, amerikanische, italienische Brillen, aber nur Zeiss Jena haben die deutsche Qualität. Zeiss Jena – garantierte deutsche Qualität." So eine Werbung, in dem größten Radiosender Israels, ist wirklich mit Aufmerksamkeit zu betrachten. Vielleicht mit den Brillen "mit deutscher Qualität" wird man hier den Unterschied zwischen Fisch und Schwein besser erkennen können.

Gute Nacht aus Tel Aviv,

Euer Ofer

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