Montag, 14. Juni 2010

Zusatzbeitrag zum Tagebuch 32

Liebe Freunde,

Ich verspreche es mir immer wieder, meine Texte nicht gleich zu schicken wenn ich sie fertig geschrieben habe, um sie ein wenig reifen zu lassen. Leider kann ich dieser Versuchung nie widerstehen, und so passiert es oft dass ich im Nachhinein mir einen Kopf mache ob ich dieses oder jenes anders hätte schreiben sollen. Genauso war es heute. Ich habe Euch den Text geschickt und bin losgefahren. Auf dem Weg zurück nach Hause von meinem Konzert dachte ich mir, vielleicht scheint es so als ob ich Euch mit aller Kraft ein düsteres Bild von meiner Heimat malen möchte. Ich habe in einem meiner Einträge schon darüber geschrieben – über den Unterschied zwischen einem Text, der an Deutsche geht, und einem der an Israelis gewandt ist. Auch wenn alles was ich Euch schreibe die bittere Wahrheit ist, gibt es auch andere, tröstende Seiten dieses Landes. Und darüber möchte ich Euch jetzt schreiben.

Wir waren heute, Gili und ich, auf eine Hochzeit eines Freundes eingeladen. Die Trauung fand in Jaffa statt, südlich von Tel Aviv (eigentlich heißt die Stadt hier Tel Aviv-Jaffa, das sagt aber kein Mensch. Es steht nur auf den Parkzetteln, die man hier sehr oft bekommt) in einer Kirche. Es war die Hochzeit eines christlichen arabischen Freunds, der, der im Mittelpunkt von Gilis erstem Film steht.

Für mich sind "Kirche" oder "Christen" etwas aus Deutschland, etwas was ich aus endlosen Konzerten kenne, mit "Elias" von Mendelssohn oder mit dem "Deutschen Requiem" von Brahms, und mit endloser Kälte die aus Steinfußböden strömt. Ich hatte also ein wenig das Gefühl gehabt, als ich die Kirche betreten habe, als sei ich im Ausland. Dabei sind die christlichen Araber hier ihrem Glauben gefolgt als man in Deutschland noch die Sonne und den Mond angebetet hat.

Die Kirche war voller Menschen in festlicher Kleidung, kleine Blumenmädchen haben Rosenblätter auf den Boden geworfen, und eine alte Frau hat mit ihrer magischen Stimme christliche Gebete auf Arabisch ins Mikrofon gesungen. "Abuja", dieses Wort erkannte ich auf den Wellen der arabischen Musik, "Unser Vater" (also Eurer), und die Gemeinde murmelte wie ein Mann "Imeen". Der Priester, ein junger Griechisch-orthodoxer Gottesmann, legte zwei Kronen auf die Köpfe des jungen Paares, die mit einer Perlenkette aneinander verbunden waren. Dann gingen sie alle, das Brautpaar, der Priester und die Blumenmädchen, Hand in Hand, um den Altar. Man konnte das knistern der inzwischen von der Hitze völlig ausgetrockneten Rosenblätter unter ihren Sohlen hören, als ob die Gebete der alten Frau von einer alten Schallplatte kämen.

Ich habe versucht diesen Moment mit all seiner Facetten wahrzunehmen, in mir zu speichern. Es waren aber zu viele Eindrücke auf Einmal, zu viel Bedeutung. Ein jüdischer Israeli in einer Kirche in Israel auf der Hochzeit eines arabischen Freundes… es ist einfach zuviel. Ich habe es also seinlassen, und war einfach ein Mensch der sich für das junge Glück eines Freundes freut. Und in diesen Tagen, mit diesem verzweifelnden Gewalttanz um uns, ist das auch ein Funke von Hoffnung. Und diese sind zurzeit eine Rarität.

Mit diesem tröstenden Gedanken wünsche ich Euch eine schöne Woche,

Euer Ofer

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