Samstag, 10. Oktober 2009

Israelisches Tagebuch4

Ich gebe zu, Eure Reaktionen auf meine Emails bringen mich dazu fast jeden Tag diesen Moment zu suchen, in dem ich der deutschen Hälfte meiner Seele die Oberhand gebe, sodass sie mit deutschen Augen meine Alt-neue Heimat sieht und beschreibt. Und ich danke Euch dafür.

Es ist Freitagabend – hier in Israel heißt das Schabbat-Abend, da der jüdische Tag schon am Vorabend beginnt, wenn drei Sterne im Himmel zu sehen sind. Wir sind aus dem feuchten warmen Tel Aviv gen Norden geflüchtet, und verbringen das Wochenende bei Gilis Familie im Galiläa.

Heute morgen waren wir am Strand – Sonne, Sand, junge Damen mit wenig Stoff auf ihrer Haut und junge Männer, braun gebrannt und muskulös, laute Musik und schlechtes israelisches Bier. Meine Freunde die auch dabei waren haben mich ausgelacht, sie sagten mir, sie wussten nicht dass man so weiß werden kann. Langsam kriege ich aber meine alte israelische Farbe, ich bin ja viel auf unserem Balkon.

Jetzt aber sitze ich draußen in "Alone Aba", wo Gilis Eltern ein Haus gebaut haben, von der Ferne hört man Schüsse aus den nahe liegenden arabischen Dörfern (kein Krieg – so zeigen sie ihre Freude, es wurde anscheinend eine Hochzeit gefeiert), wenn man einen kleinen Spaziergang machen würde wären die Lichter von Nazaret das einzige, was man sehen würde. Für Euch sind es Namen aus der Bibel, für mich sind es jetzt Namen die man im Radio hört beim Staubericht – "Zwischen Jerusalem und Betlehem ist Stau, bitte benutzen sie die Strasse über Jericho". Lustig, oder?

Vorher kam ein Anruf von der Oper, sie brauchen mich schon nächste Woche, gespielt wird die Ouverture zu der Oper "Der Freischütz", Mozarts Violinkonzert in D Dur und noch irgendwas. Ich kann es mir nur schwer vorstellen, auf Hebräisch zu proben, der Dienst heißt hier "Peula" und es gibt keinen TVK (für die Nichtmusiker unter Euch, TVK ist der Tarifvertrag der Deutschen Kulturorchester) und keine DOV (Deutsche Orchestervereinigung, also unsere Gewerkschaft).

Als ich heute meine Stereoanlage aufgebaut habe, entdeckte ich eine CD im CD-Player. Ich habe auf "Play" gedrückt, und unsere schöne, ruhige Tel Aviver Wohnung war plötzlich voll mit der Stimme Marlene Dietrichs, mit ihrem Lied "Ich hab noch einen Koffer in Berlin". Oh je.

Gute Nacht aus Jesuss Nachbarschaft,

Euer Ofer

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