Samstag, 10. Oktober 2009

Israelisches Tagebuch1

Jerusalem, Freitag den 2.10.09

Unglaublich – ich bin hier. Florian hat mich gestern früh durch das aufwachende Berlin zum Flieger nach Schönefeld gebracht, und als er gefahren ist fing es an zu regnen. Meine dramatische Art veranlasste mich dazu den Regen als die Tränen Berlins zu sehen, eine Art Abschiedsnahme. Ich stand vor dem Terminal für eine letzte Zigarette, nachdem ich meine (fünf!) Koffer abgegeben habe, und habe einen neuen AB-Spruch aufgenommen. "Hallo, hier ist der Anrufbeantworter von Ofer Waldman, ab Sofort bin ich in Israel…." Unglaublich. Und jetzt bin ich hier.

Vorher war ich mit meinen Neffen und Nichten Fußball spielen, im Süden Jerusalems. Die Luft ist hier wirklich süß, das Licht ist golden und es liegt eine himmlische Ruhe auf der Stadt. Es ist Freitagabend, die "Schabbat" kommt, und Jerusalem trennt sich für das Wochenende von der realen Welt. Man kann sich hier Deutschland nur schwer vorstellen, es duftet nach Feigen und in der Stille ertönen Glocken aus dem nahe liegenden Betlehem und aus der Jerusalemer Altstadt. Wo ist Berlin, wo ist Prenzlauer Berg, erst Vorgestern bin ich mit dem Motorrad zu Miriam nach Westberlin gefahren, durch Unter den Linden, durch den Tiergarten, mit nicht mehr aktuellen "Deutschland kann mehr" Plakaten der SPD, mit Bäumen deren Namen ich in 10 Jahren noch nicht gelernt habe.

Die Familie versammelt sich bei meinen Eltern, Gili hilft meiner Mutter die Schnitzeln für das Schabbat-Essen vorzubereiten, und ich habe eine Dusche genommen – es kommt hier kaum Wasser aus dem Hahn, kann man ja verstehen bei der Wasserknappheit, und bei mir werden Kindheitserinnerungen wach von Restseife die man mit der schwachen Wasserstrahl nie wegkriegt.

Noch fühlt es sich an wie in all den Besuchen, die ich hier erlebt habe. Und doch ist in meiner Tasche keine Flugkarte, nachhause, nach Deutschland. Ob man zwei "Zuhause" haben kann?

Die Besitzer der Wohnung, in die Gili und ich am Montag einziehen, kommen aus Deutschland. Sie haben das Haus, mitten in Tel Aviv, in den 30gern gebaut. Ich freue mich sie kennen zu lernen, und ein wenig Deutsch plaudern zu können. Vorher, auf dem Spielplatz, hat mein Neffe Yonatan den Ball auf eine Frau geworfen. Ich bin hingegangen, habe den Ball abgeholt, und sagte ihr – "Entschuldige bitte." Sie guckte mich verwirrt an – und ich sagte, mit einem kleinen Lächeln, "Sliha."

Liebe Grüße an alle in Deutschland,

Ofer

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