Dienstag, 22. Dezember 2009

Israelisches Tagebuch 17

Dem Polizeibeamten an der Passkontrolle sage ich noch "guten Tag", dem israelischen Sicherheitsbeamten der drei Meter dahinter steht sage ich "Shalom", ich ziehe die eine Identität aus und die andere an, ich trage den 1. FCN Schall und den blauen Pass, ich zahle mit einer deutschen EC-Karte beim Duty-free und stecke die Schokoladen, die ich gekauft habe, in meine Tasche, zwischen dem Buch "Das jüdische Jahrhundert" und Stefan Zweigs "Schachnovelle". Gibt es hier eine Diskrepanz? Passt hier irgendwas nicht zusammen? Diese Welten, meine Welten, sind hinter meinen Augen festgeschrieben, ich muss nicht durch Berlin fahren um zu wissen wie eine Weddinger Wohnung aussieht durch eine verschmutzte S-Bahn Fensterscheibe, dieser exakte Unterton von Grau den man in Israel nicht sehen kann ist mir so vertraut, sodass ich nicht mehr mit dem Finger auf den Moment zeigen kann wo er es noch nicht war.

Ich verlasse Berlin, mal wieder, ich schüttele den Schnee von meinen Schuhen und gehe meine lange Unterhose auf den Flughafentoiletten ausziehen. Das erste Zeichen dass man sich auf dem Weg nach Israel findet ist hier allgegenwärtig – die Sicherheitskontrollen. Ich weiß, ich erwähne dieses Thema sehr oft, aber ich habe nur ein Paar Tage gebraucht um mich wieder einzuberlinern, und der glückliche Blick auf den Gesichtern der Israelis um mich die von fünf verschiedenen Beamten angetastet werden ist mir fremd und rätselhaft.

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Der folgende Satz klingt wie der Anfang eines Witzes – Es treffen sich ein russischer Akkordeonist, eine ukrainische Geigerin, ein weißrussischer Bassist, eine russische Schlagzeugerin, ein deutscher Klarinettist und ein israelischer Hornist (meine Band, halt). (Fast) alle sind Juden, also welche Sprache sprechen sie? Natürlich Deutsch. Was denn sonst? Obwohl so viel Zeit verging, die deutsche Sprache ist das Merkmal der jüdischen Elite geblieben, man spricht sie und fühlt sich gleich intellektueller, man schmeckt den Apfelkuchen im Mund und denkt an große Kirchen und Paläste, an Literatursalons und sonstige kulturelle Angelegenheiten, fein und kostbar, die bei direkter Berührung mit der israelischen Sonne sich in Luft auflösen.

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Berliner Momente – vergammelte Äpfel vor einem Bioladen, 20 Euro das Stück, Feigen die so verpackt sind als ob sie aus Meissner Porzellan wären, und der U-Bahn Fahrer der das Wort "Bitte" bei der Ansage "Einsteigen Bitte" so ausspricht, als ob es der zweite Name seiner Schwiegermutter wäre.

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Ein Passagier bittet mich darum, seiner Tochter Platz zu machen. Na ja, bittet ist zu viel gesagt, er denkt dass ich kein Hebräisch kann und zeigt mit seinen Händen dass ich nach Links rutschen soll. Er liest gerade dass, was ich schreibe, ohne zu versuchen es zu verheimlichen, und ist offensichtlich gestört von der Tatsache dass ich deutsche Worte aus einer hebräischen Tastatur produziere.

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Am Flughafen in Tel Aviv erwartet mich Gili, und eine ganze Menge Celsius-Grade, ich werde den 1. FCN Schall in die Tasche stecken und ihr hebräische Liebesworte sagen. Hand in Hand werden wir zum Auto gehen, den israelischen Sender "Galgalatz" einschalten, und ich werde meiner deutschen Seelenhälfte sagen – gute Nacht, schlaf gut, wir sehen uns in Februar.

Euer Ofer

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