Samstag, 28. November 2009

Israelisches Tagebuch 13

Es ist Schabbatabend, alles ist ruhig, eine einsame Polizeisirene heult in der Ferne, Gili schläft, erschöpft von einer harten Woche, und ich freue mich darauf, Euch was zu schreiben.

Gestern hatte ich eine Simulation an der Uni – sie ging um das neue Sicherheitskonzept der NATO. Wir waren ca. 25 Studenten aus aller Welt, und jeder musste sich ein Land aussuchen, das er oder sie vertreten will. Ihr dürft einmal raten welches Land ich mir ausgesucht habe – und nein, Franken zählt leider nicht zu den NATO Mitgliedsstaaten. Ja ja liebe Freunde, ich trug ein Namensschild mit der deutschen Fahne, habe für gute Handelsbeziehungen mit dem Iran propagiert, verhielt mich dem amerikanischen Botschafter (einem netten Doktoranten aus München) gegenüber kühl, scherzte freundlich mit der hübschen französischen Botschafterin über ein Glas Cola, und das alles auf Englisch mit einem horrenden deutschen Akzent. Kurz gesagt, bis auf die komische Gesichtshaut, war ich der perfekte Guido Westerwelle. Ich glaube manchmal, an der Uni ist man sich nicht so sicher wo ich herkomme. Ich trage zwar einen israelischen Namen, ziehe mich aber nicht so israelisch an, also komme nicht mit Sandalen und durchlöcherter Jeans in die Uni, und wechsle, wenn es nur möglich ist, von Hebräisch zu Deutsch. Und das schlimmste – als Bayern München Maccabi Haifa 1-0 geschlagen hat, war ich nicht so traurig (ich möchte hier aber ausdrücklich erwähnen, dass ich kein Bayern-Fan bin. Es lebe der 1. FCN!).

Ich habe meinem Bruder erzählt dass ich dieses Tagebuch schreibe. Es war auf einer Fahrt durch ein arabisches Dort, westlich von Jerusalem. Ich habe ihm von der Arbeit abgeholt, und er fragte mich wie ich den Kontakt nach Deutschland halte. "Und was erzählst Du Deinen deutschen Freunden?"

Was erzähle ich Euch? Wären die, die meinen Blog lesen, alle Israelis, was hätte ich Ihnen erzählt? In wiefern wäre es anderes? Ich schreibe meine Geschichte, gesehen aber (zumindest zum Teil) durch deutsche Augen. Meinen israelischen Freunden würde keine Geschichte über das Kreuzigungstsal interessieren. Oder über den Weg nach Mount Scoupus, wo meine Uni liegt. Versuche ich Israel für Euch romantischer auszumahlen? Versuche ich Euch den Zauber des Orients mit Worten zu vermitteln, verstärkt aber, um es irgendwie anziehender wirken zu lassen, romantischer halt?

Ich weiß noch, jedes Mal als ich Deutschland beschreiben wollte als ich noch dort gelebt habe, habe ich erstens immer von der Kälte berichtet. Waren es 0 Grad, habe ich es -5 sein lassen. Waren es -20, als meine Freunde in Berlin oder Nürnberg sich zuhause versteckt haben bis es draußen erträglicher wird, habe ich meinen Eltern erzählt, es sei völlig normal und macht mir nichts aus. Wahrscheinlich wollte ich den Menschen aus meiner alten Heimat das Gefühl geben, ich gehöre zu diesem Ort, zu Deutschland, ich habe mich an das deutsche Wetter und an alles gewöhnt. Vielleicht wollte ich Ihnen ein wenig fremd vorkommen, das Fremdsein, so schwierig es für einen sein kann, macht aus sexy. In Israel wird der Name "Florian" seinem Träger zumindest das Recht geben, eine Frau auf ein Getränk einzuladen, und in Deutschland kann der Name Ofer wenigstens für erhöhte Aufmerksamkeit sorgen. Ich weiß noch, wie eine junge Dame aus Berlin mich fragte, nachdem ich ihr meinen Namen verriet, ob meine Eltern mich nicht mochten. Ich musste ihr meinen Pass zeigen, und erklären, Ofer heißt in Israel Rehkiez und sei ein völlig normaler Name.

Es ist lustig - wenn ich zurück an die Frage denke was ich wem erzähle, denke ich daran, was ich meinen deutschen Freunden die mich hier besuchten gezeigt habe. So helfe mir Gott gehe ich selten in die Jerusalemer Altstadt, es sei denn, ich habe Besuch aus Deutschland oder muss Geschenke für Europäische Freunde kaufen. Das gleiche gilt umgekehrt – die Currywurstbude unter der Brücke an der Schönhauseralle in Berlin sah ich auch nur als Freunde aus Israel in Berlin waren, oder die Burg in Nürnberg, oder das Brandenburger Tor.

Ich habe mich erschrocken – ich will nicht dass Ihr jetzt denkt, ich schreibe hier Mist. Es ist alles so wie es ist und war. Aber genau durch solche Fragen suche ich in mir die Grenze zwischen dem deutschen und dem Israelischen Dasein, falls es eine überhaupt gibt. Ich bleibe auf dieser Suche aber ruhig – selbst wenn ich eine solche Grenze finden sollte, habe ich das nötige Visum dafür.

Leila Tov (Gute Nacht) aus Tel Aviv,

Euer Ofer

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