Dienstag, 27. April 2010

Israelisches Tagebuch 27

Ich wurde darum gebeten, im Zusammenhang mit diesem Blog über mein Leben zu schreiben. Ich gebe zu, es fühlt sich ein wenig komisch an. Ich habe einen Versuch unternommen, es kam aber dabei einen Lebenslauf heraus der stark an eine Jobbewerbung erinnert, was sicherlich nicht gemeint war. Ich versuche es noch ein Mal, aber jetzt – wie man so schön sagt – I do it my way.

Ich wurde in Jerusalem geboren – und bin, trotz meiner Liebe zu fernen deutschen Städten ein Kind Jerusalems geblieben. Es ist aber ein Jerusalem das nichts mit dem hier und jetzt zu tun hat, sondern ehr ein seelischer Ort, ein Gemütszustand, der sich weniger durch geographische Platzierung beschreiben lässt, viel mehr aber durch Gerüche und Farben, durch Menschen die in dieser Stadt die Nähe zu Gott suchen, und durch das goldene Licht das Jerusalem jeden Abend für eine Stunde wahrlich königlich aussehen lässt.

In der Nachbarschaft meiner Kindheit, "Najot", herrschte jeden Mittag zwischen zwei und vier absolute Stille. Und weh dem Kind das es wagte, draußen auf der Strasse mit einem Ball zu spielen. Sobald so was geschah, ertönte aus einem der Fenster dies eine Wort, das zu dem ersten Baustein meines deutschen Wortschatzes geworden ist. "Schlafstunde!!!"

Und so kann man diese Nachbarschaft beschreiben – eine kleine deutschsprachige Insel mitten im staubigen Jerusalem, die (so wie das Nah liegende Kloster, das ich in einem meiner Beiträge beschrieben habe) mit anderen Orten und Zeiten kommunizierte als mit ihrer direkten Umgebung. Irdische Angelegenheiten wie Krieg (allein in meiner Kindheit gab es drei davon) oder Politik waren den älteren Bewohnern nicht würdig. Begin, Rabin und Sadat? Heine, Goethe und Beethoven!

Die meisten Kinder die mit mir dort aufgewachsen sind haben es geschafft, sich von diesem inneren Exil zu lösen. Der europäische Zauber wohnte in dunklen Gedächtnisecken von Opas und Omas mit einem fürchterlichen Akzent, Ecken, die man gut von der prallen israelischen Sonne behüten musste. Genau aber diese Sonne bevorzugten meine Altergenossen, und so kam es dass während sie draußen Fußball spielten, saß ich zuhause und redete während meiner Übepausen mit den alten Nachbarn, oder viel besser, mit meiner Oma (Die, oh die Schande, aus Jeroslaw kam. "Vielleicht doch aus Königsberg?" versuchte mein Vater was Deutsches aus ihr zu retten als meine Eltern sich kennen lernten). Ihren Geschichten werde ich aber mindestens einen Extra-Beitrag widmen müssen.

Wie viele Kinder aus der Gegend wurde auch ich zum elitären Universitätsgymnasium geschickt. Dort waren die Lehrer sehr verständnisvoll als ich nach langen Konzerten mit dem jungen israelischen philharmonischen Orchester im Klassunterricht eingeschlafen bin. Diese erstklassigen Erziehern, mit denen ich von Gott gesegnet wurde, versuchten uns Kindern stets die Botschaft zu geben – das wichtige im Leben sei nicht Geld oder Militär, sondern viel mehr freies Denken und Menschenliebe. Da zu dieser Zeit in Israel die ersteren herrschten, kam es dass der Löwenanteil meines Jahrgangs unseren Lehrern Recht gab und direkt nach dem Militärdienst das Land verlassen hat.

Die meisten, die sich in Princeton und Stanford oder Indien und Südamerika wieder fanden, suchten nach "neuer Luft", nach einer Atempause von der ermüdenden israelischen Realität. Ich aber suchte nach alter Luft, nach genau den Geschichten der Alten, und als ich die Einladung nach Berlin bekam, war die einzige Frage – wie schnell kann ich dorthin umziehen.

Was ab dann geschah, bleibt dem nächsten Beitrag erhalten. Ich muss jetzt leider los, zur Uni.

An Euch alle einen lieben Gruß,

Euer Ofer

p.s. das mit dem Kommentarenhinterlassen war ernst gemeint…

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