Freitag, 26. November 2010

Israelisches Tagebuch 40

Liebe Freunde,

ein israelischer Sänger schlägt dumpfe Töne aus seiner Gitarre und ruft mit rauer Stimme nach Regen, es ist ein Lied aus den 90gern, aber immer wieder aktuell, "vielleicht hilft es," sagt die Nachrichtensprecherin im Radio, und meine Hand schwebt über den Klimaanlageknopf im Auto, um sich dann doch für das offene Fenster zu entscheiden. Es ist Ende November, eine angenehmen warme Luft streichelt mein Gesicht, ich fahre wieder durch die besetzten Gebiete zur Uni, hier gibt es ja keinen Stau, wie soll es einen geben, seitdem die Araber hier durchfahren dürfen haben die meisten Israelis Angst vor dieser Strasse.

"Wegen der Regenknappheit ruft das Hauptrabinneramt in Jerusalem zum allgemeinen Fasten am Montag auf," berichtet die Radiodame weiter, ich warte vor dem Checkposten, es kommt ein kurzer Moment der Panik weil einer der Autofahrer, den ich durch seinen Rückspiegel als einen älteren Nationalreligiösen Herrn identifizieren kann, wollte dem Soldaten in der Wachhütte einen Schokoriegel zuwerfen. Der arme Junge dachte, es sei eine Handgranate, und warf sich schreiend zum Boden.

Regen, gib uns Regen, schreit der Sänger weiter, 18 israelische Bauern sind mit einem Heißluftballon über ihre Felder geflogen und tanzten den berühmten Regentanz von "Honi Ha´maagel", ein alter heiliger der vor vielen Jahren Gott herausgefordert, um sich einen Kreis gemalt und gesagt hatte – bis es regnet, gehe ich nicht mehr aus dem Kreis heraus. "Der Korb von dem Ballon ist quadratisch, und Honis Kreis war ja rund – uns ist also zumindest die Quadratur des Kreises gelungen", knistert das Lachen eines Bauers mit einer Stimme, die so trocken wirkt wie sein Land.

Jetzt spricht ein Professor und sagt, seit Beginn der Wetteraufzeichnung vor 83 Jahren ist nie so wenig Wasser während des Monats November in den See Genezareth geflossen. Und ich denke mir – wer ist 1927 auf die Idee gekommen, das Wetter aufzuzeichnen, gab es damals nichts besseres zu tun, und wer weiß wie viel Wasser damals bei Honi geflossen ist, und ob es für ihn überhaupt von Bedeutung wäre, er hat sich wahrscheinlich einfach gern in seinem Kreis gedreht, und sowieso – ohne diese Aufzeichnung hätten wir ja eine schlechte Nachricht weniger.

Schabat Schalom aus Tel Aviv,

Euer Ofer

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