Donnerstag, 5. Mai 2011

Israelisches Tagebuch 47

Ofer, willst Du nicht einen Fatusch zubereiten?

Ich liebe meine Frau, das muss ich schon sagen, vor allem liebe ich diese Fragen, deren nie mit Worten ausgesprochenen Antworten die kleinen Bauelemente der Liebe sind. Es ist ja klar dass ich den Fatusch zubereite, Gili kann ihn ja gar nicht zubereiten, als ich ihr das eine Mal versucht habe diese Kunst beizubringen, ist sie lachend aus der Küche geflohen. "Man braucht Geheimnisse in der Ehe!" rief sie noch aus dem Flur, und ihr lachend vermischte sich mit Ori´s aufgeschrecktem Schrei, der nach einem kurzen, sich ausprobierenden Weinen (da ist sie nicht so sehr geübt) in entzücktes Kichern überging.

Familienglück, Tel Aviv, 2011.

Ich übe mich in Ordentlich sein aus, vielleicht ein Relikt aus deutschen Zeiten, und lege die Zutaten für den Fatusch auf die Arbeitsfläche in der Küche. Gurken Tomaten Zwiebel Paprika Pitabrot Saatar Feta-Käse Salz Pfeffer und Olivenöl. Ich kann es versuchen, Mengen zu nennen – es käme mir komisch vor, Zahlen und Gewichteinheiten neben dem Namen Fatusch zu sehen, es wäre wie eine Übersetzung – eine "Essübersetzung", vielleicht – so wie ich einmal eine ganze Woche gebraucht habe bis ich verstand, "Kusbara" heiße bei Euch "Koriander". Oder wie die Unmöglichkeit, die genaue Zuckerpudermenge zu nennen die man auf Kaiserschmarrn streuen sollte. Nach Gefühl, halt.

Ein dumpfer Schlag ertönt aus der Ferne, Gili und ich werden kurz still, nur Ori kichert fröhlich weiter. Eins. Zwei. Drei. Wir zählten die Sekunden. Vier, Fünf, Sechs. Der fast schon sommerliche Himmel wird geschnitten durch Vögelgeschrei, ich schaue durch das Fenster, meine Augen suchen kein bestimmtes Zielobjekt, es sind meine Ohren die was suchen. Sieben, acht, neun. Ich stütze mich auf meine Hände, spüre die kalte Steinfläche auf der das Gemüse liegt, der Käse, das Brot. Zehn. Ich atme auf. Wenn es eine Bombe gewesen wäre, würden nach zehn Sekunden die ersten Polizei- und Krankenwagensirenen ertönen, hysterisch, eine weckt die andere zum Schreckenkonzert.

Ordnung muss sein, also erst das Pitabrot zerfetzen, in Stücke so klein wie… naja, wie Kaiserschmarrnstücke. Köche der Welt, vereinigt Euch! Man nimmt eine Schale, tut die Pitastücke rein, streut Salz darauf, ein wenig Pfeffer, Saatar, und Olivenöl.

(Saatar? Was zum T….? Ein Lachen rollt aus Nürnberg, wo ich mal versucht habe, einem gewissen Baron die richtige Aussprache von Saatar beizubringen. Vergeblich, allerdings. Der Gute ist fast daran erstickt. Der deutsche Name dieses Gewürzes ist übrigens Oregano, oder Origanum syriacum, für die die lieber auf Latein kochen)

Nach einer kurzen Weile, wenn die Brotstücke das Öl ein wenig aufgesaugt haben (nicht zu viel öl nehmen! Es kommt ja noch welches in den Fatusch!), schmeißt man sie in eine Pfanne, und frittiert sie kurz bis sie knackig werden (aber nicht braun oder schwarz! Sie müssen die Zähne nur leicht überraschen nebst den Tomaten und Käsestücken).

Gili steckt ihren lockigen Kopf durch die Küchentür, auf ihrem Arm Ori, beide grinsen fröhlich – bei Gili liegt es an ihren Geruchssinn der ihr den sich langsam verwirklichenden Fatusch verriet, bei Ori handelt es sich wahrscheinlich um das allgemeine Glück, Gili und mich als Eltern zu haben. Klar doch.

Das Gemüse schneidet man grob, das heißt, grob im Vergleich zum normalen arabischen Salat. Zum Beispiel, die Gurken. Hier muss aber eins festgemacht werden – es handelt sich nicht um die monströsen, fast schon perversen, nach Wasser schmeckenden, a-la-Fokushima deutschen Gurken, sondern um ihre kleinen Verwandten, also normale Gurken, die als Vorspielobjekt untauglich, für den Fatusch aber perfekt sind. Gurken, halt. Man schneidet sie in vier längliche Streifen, die man dann in grobe, also so um die 4 cm Stücke weiterschneidet. Die gleiche Größe gilt für all die Zutaten – die Würfel müssen so groß wie eine halbe Streichhölzerschachtel sein.

Angenommen, Ihr nehmt normales Gemüse (und nicht die oben erwähnte genetische Blasphemie der Natur) – braucht Ihr drei Gurken, zwei Tomaten, zwei Paprikas (die in den deutschen Supermärkten in der Regel aus Israel stammen), ein drittel Zwiebel (ich liebe die roten, aber ich liebe ja immer die Roten), und 150 gr. Feta (den Käse schneidet man in kleinere Stücke, nach Gefühl).

Es ist fast vollbracht, ich gehe ins Wohnzimmer um Gili die fröhlichen Nachrichten mitzuteilen, merke aber, Ori ist eingeschlafen, glücklich sein macht ja müde. Gili zeigt mit dem Finger auf den Lippen, Papageno schweige still, und ich gehe auf Zehespitzen zurück in die Küche. Die Pitastückchen haben sich inzwischen abgekühlt, ich schmeiße alles zusammen in eine große Schale, tue noch ein wenig Salz und Olivenöl rein, mische alles gründlich zusammen, und – Hurra! – Der Fatusch ist fertig.

Mahlzeit!

Euer Ofer

p.s. ich gebe es zu, kürzlich in einem ziemlich edlen Restaurant in Tel Aviv Fatusch mit Baguettestückchen statt Pitabrot bekommen zu haben, also müsst Ihr nicht nach x-Berg, Gostenhof, oder Dortmund reisen um einen Arabischen Supermarkt aufzuspüren.

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