"Bergluft, klar wie Wein…" so beschreibt ein berühmtes Lied die jerusalemer Luft. Klar wie Wein? Dieser Satz klingt auf Hebräisch sehr schön und poetisch, für mich bleibt er aber ehr unverständlich. Die jerusalemer Luft aber, klar und süß, einmalig in der ganzen Welt, ist ein Teil von mir. Ich kann sie in mir hervorrufen egal wo ich bin, ob ich grade die verpestete Luft unter der Brücke am Bahnhof Zoo in Berlin atme oder die schwere, dicke Luft die man um sich hat in den Gängen die zum Orchestergraben führen, in Nürnberg wie in Tel Aviv.
Jedes Mal, wenn ich nach Jerusalem fahre, genieße ich diesen Moment – kurz bevor man die Stadt sieht, in der letzten Kurve von der israelischen Strasse Nummer 1, mache ich das Autofenster auf und atme tief ein.
Gestern Abend bin ich wieder nach Jerusalem gefahren. Mit mir im Auto saß ein guter Freund, der sich ein "Israelischer Weiß-Deutscher" nennt, oder ein "Weißer Deutsch-Israeli", na ja, dass kommt wenn man in Weißrussland geboren wurde, in Israel aufgewachsen ist und in Deutschland lebt. Er ist kurz zu Besuch nach Israel gekommen, und als ich eine Einladung von einem deutschen Zentrum für eine "echte deutsche Silvesterparty" (echt bis auf die Tatsache, dass sie ein Tag zu früh stattfand) bekommen habe dachte ich, ihn nehme ich mit.
Das Zentrum liegt auf der "grünen Linie", der offizielle Name der ehemaligen (und hoffentlich, irgendwann, zukünftigen) Grenze zwischen den Palästinensischen Gebieten und Israel. Ihr fragt, wie ein Haus "auf der Grenze" liegen kann? Oh, das ist einfach. Als die Menschen von der Uno die Grenze zwischen Israel und dem jordanischen Königsreich (das damals die Palästinenser besetzt hat) markiert haben, nahmen sie sehr grobe Landkarten und einen sehr dicken grünen Stift. Und so kam es, dass ein Strich von dem Stift auf der Karte in der Realität ungefähr 500 Meter breit ist, und keiner weiß – ist diese Strasse auf der israelischen Seite? Auf der jordanischen? Auf jeden Fall liegt dieses Haus in einer atemberaubenden Lage – man kann vom Balkon den Ölberg sehen, die Altstadt mit dem Tempelberg, und an einem klaren Tag große Teile der judäischen Wüste.
Sorgenlos wie ich bin habe ich das Auto in einer arabischen Strasse geparkt und bin mit meinem Freund die Treppen hochgeklettert in das Haus. Deutsche, Israelis, und Palästinenser, die meisten mit einer Flasche "Goldstar" in der Hand (das ultimative israelische Bier, das einem am nächsten Tag das Gefühl gibt, man wäre lieber an einem Attentat gestorben) haben uns dort begrüßt. "Servus, Marhaba, Schalom" sind um uns geflogen in jedem Zimmer das wir betraten. Das Haus war offensichtlich ein altes Arabisches Haus – die dicken Steinwände, der Steinboden mit den bunten Mustern, die grünen Fenster, und die hohen, gebogenen Decken sind ein Merkmal für die wunderschöne arabische Baukunst.
Es fühlte sich aber schon ein wenig merkwürdig – wie ein Treffen von Menschen, die im Exil leben, obwohl die meisten von ihnen (und ich ja auch) aus Jerusalem kommen. Aber irgendwie herrschte in dem Raum eine leise Sehnsucht nach Deutschland, die Sehnsucht derer die in Deutschland ein zweites Zuhause, eine Wahlheimat gefunden haben, und die mit aller Kraft zeigen wollten – wir gehören dazu, wir lachen über Ostfriesenwitzen, (habt ihr den gehört – wieso lacht man über die Ostfriesen? Sodass man nicht immer über die Bayern weinen muss), wir lieben gutes Bier und gutes deutsches Brot, wir gehören (nicht nur) zu dieser stickigen Masse von diesen sich gegenseitig abschlachtenden Barbaren des Nahen Ostens.
Der Höhepunkt des Abends war – wie denn sonst – "Dinner for one". Makaber, kann ich sagen, kam es mir vor. Wir Saßen alle in einem Raum, der deutsche Pfarrer der Augusta-Victoria Kirche, mein deutscher Dozent von der Uni, Palästinensische Uno-Mitarbeiter aus den besetzen Gebieten, junge Antifa Mädchen aus Deutschland mit einem Palästinensertuch (oder besser, mit einem Palästinenser) um den Hals, und verlorene Israelis wie ich und mein Freund, und haben mit einer unmöglich bunten Mischung von Akzenten und Sprachfehlern "Same procedure as every year Miss Sophie? Same procedure as every year, James!" gerufen.
Der herbe Geschmack von Exil, der leise Geruch von Fremdsein herrschten im Raum, und ich dachte mir – ich kenne das, aus Deutschland, aus Tel Aviv, und nun auch aus Jerusalem. Und wie der Geruch von Kamelenscheisse auf die man getreten ist, so ist auch das Gefühl des Fremdseins – es lässt einen nie wieder los.
Euch allen einen guten Rutsch und ein frohes neues Jahr,
Euer Ofer
Donnerstag, 31. Dezember 2009
Dienstag, 22. Dezember 2009
Israelisches Tagebuch 17
Dem Polizeibeamten an der Passkontrolle sage ich noch "guten Tag", dem israelischen Sicherheitsbeamten der drei Meter dahinter steht sage ich "Shalom", ich ziehe die eine Identität aus und die andere an, ich trage den 1. FCN Schall und den blauen Pass, ich zahle mit einer deutschen EC-Karte beim Duty-free und stecke die Schokoladen, die ich gekauft habe, in meine Tasche, zwischen dem Buch "Das jüdische Jahrhundert" und Stefan Zweigs "Schachnovelle". Gibt es hier eine Diskrepanz? Passt hier irgendwas nicht zusammen? Diese Welten, meine Welten, sind hinter meinen Augen festgeschrieben, ich muss nicht durch Berlin fahren um zu wissen wie eine Weddinger Wohnung aussieht durch eine verschmutzte S-Bahn Fensterscheibe, dieser exakte Unterton von Grau den man in Israel nicht sehen kann ist mir so vertraut, sodass ich nicht mehr mit dem Finger auf den Moment zeigen kann wo er es noch nicht war.
Ich verlasse Berlin, mal wieder, ich schüttele den Schnee von meinen Schuhen und gehe meine lange Unterhose auf den Flughafentoiletten ausziehen. Das erste Zeichen dass man sich auf dem Weg nach Israel findet ist hier allgegenwärtig – die Sicherheitskontrollen. Ich weiß, ich erwähne dieses Thema sehr oft, aber ich habe nur ein Paar Tage gebraucht um mich wieder einzuberlinern, und der glückliche Blick auf den Gesichtern der Israelis um mich die von fünf verschiedenen Beamten angetastet werden ist mir fremd und rätselhaft.
-----------------------------------------------
Der folgende Satz klingt wie der Anfang eines Witzes – Es treffen sich ein russischer Akkordeonist, eine ukrainische Geigerin, ein weißrussischer Bassist, eine russische Schlagzeugerin, ein deutscher Klarinettist und ein israelischer Hornist (meine Band, halt). (Fast) alle sind Juden, also welche Sprache sprechen sie? Natürlich Deutsch. Was denn sonst? Obwohl so viel Zeit verging, die deutsche Sprache ist das Merkmal der jüdischen Elite geblieben, man spricht sie und fühlt sich gleich intellektueller, man schmeckt den Apfelkuchen im Mund und denkt an große Kirchen und Paläste, an Literatursalons und sonstige kulturelle Angelegenheiten, fein und kostbar, die bei direkter Berührung mit der israelischen Sonne sich in Luft auflösen.
------------------------------------------------
Berliner Momente – vergammelte Äpfel vor einem Bioladen, 20 Euro das Stück, Feigen die so verpackt sind als ob sie aus Meissner Porzellan wären, und der U-Bahn Fahrer der das Wort "Bitte" bei der Ansage "Einsteigen Bitte" so ausspricht, als ob es der zweite Name seiner Schwiegermutter wäre.
-------------------------------------------------
Ein Passagier bittet mich darum, seiner Tochter Platz zu machen. Na ja, bittet ist zu viel gesagt, er denkt dass ich kein Hebräisch kann und zeigt mit seinen Händen dass ich nach Links rutschen soll. Er liest gerade dass, was ich schreibe, ohne zu versuchen es zu verheimlichen, und ist offensichtlich gestört von der Tatsache dass ich deutsche Worte aus einer hebräischen Tastatur produziere.
--------------------------------------------------
Am Flughafen in Tel Aviv erwartet mich Gili, und eine ganze Menge Celsius-Grade, ich werde den 1. FCN Schall in die Tasche stecken und ihr hebräische Liebesworte sagen. Hand in Hand werden wir zum Auto gehen, den israelischen Sender "Galgalatz" einschalten, und ich werde meiner deutschen Seelenhälfte sagen – gute Nacht, schlaf gut, wir sehen uns in Februar.
Euer Ofer
Ich verlasse Berlin, mal wieder, ich schüttele den Schnee von meinen Schuhen und gehe meine lange Unterhose auf den Flughafentoiletten ausziehen. Das erste Zeichen dass man sich auf dem Weg nach Israel findet ist hier allgegenwärtig – die Sicherheitskontrollen. Ich weiß, ich erwähne dieses Thema sehr oft, aber ich habe nur ein Paar Tage gebraucht um mich wieder einzuberlinern, und der glückliche Blick auf den Gesichtern der Israelis um mich die von fünf verschiedenen Beamten angetastet werden ist mir fremd und rätselhaft.
-----------------------------------------------
Der folgende Satz klingt wie der Anfang eines Witzes – Es treffen sich ein russischer Akkordeonist, eine ukrainische Geigerin, ein weißrussischer Bassist, eine russische Schlagzeugerin, ein deutscher Klarinettist und ein israelischer Hornist (meine Band, halt). (Fast) alle sind Juden, also welche Sprache sprechen sie? Natürlich Deutsch. Was denn sonst? Obwohl so viel Zeit verging, die deutsche Sprache ist das Merkmal der jüdischen Elite geblieben, man spricht sie und fühlt sich gleich intellektueller, man schmeckt den Apfelkuchen im Mund und denkt an große Kirchen und Paläste, an Literatursalons und sonstige kulturelle Angelegenheiten, fein und kostbar, die bei direkter Berührung mit der israelischen Sonne sich in Luft auflösen.
------------------------------------------------
Berliner Momente – vergammelte Äpfel vor einem Bioladen, 20 Euro das Stück, Feigen die so verpackt sind als ob sie aus Meissner Porzellan wären, und der U-Bahn Fahrer der das Wort "Bitte" bei der Ansage "Einsteigen Bitte" so ausspricht, als ob es der zweite Name seiner Schwiegermutter wäre.
-------------------------------------------------
Ein Passagier bittet mich darum, seiner Tochter Platz zu machen. Na ja, bittet ist zu viel gesagt, er denkt dass ich kein Hebräisch kann und zeigt mit seinen Händen dass ich nach Links rutschen soll. Er liest gerade dass, was ich schreibe, ohne zu versuchen es zu verheimlichen, und ist offensichtlich gestört von der Tatsache dass ich deutsche Worte aus einer hebräischen Tastatur produziere.
--------------------------------------------------
Am Flughafen in Tel Aviv erwartet mich Gili, und eine ganze Menge Celsius-Grade, ich werde den 1. FCN Schall in die Tasche stecken und ihr hebräische Liebesworte sagen. Hand in Hand werden wir zum Auto gehen, den israelischen Sender "Galgalatz" einschalten, und ich werde meiner deutschen Seelenhälfte sagen – gute Nacht, schlaf gut, wir sehen uns in Februar.
Euer Ofer
Sonntag, 13. Dezember 2009
Israelisches Tagebuch 16
Freitag früh war es soweit. Ich habe Gili um drei Uhr in der früh aus dem Bett geholt, sodass sie mich zum Flughafen bringt. Wir sind letztes Jahr so oft geflogen, sie hat ja in New York gelebt und ich in Deutschland, sodass wir uns an Flughäfen heimlich fühlen. Es tut uns beiden gut die großen Anzeigetafeln mit den ganzen Städtenamen zu sehen, das ewige Neon-Tagelicht zu genießen, es gibt uns das Gefühl, wir sind lebendig.
Wer mal schon in Israel am Flughafen war weiß wovon ich rede, wenn ich sage dass die Sicherheitskontrollen diesmal nicht so lang dauerten, also nur 45 Minuten. Die nette Dame mit dem müden Lächeln und dem Revolver in dem Gürtel fragte mich, wo ich wohne, und ich gebe zu – genauso wie vor zwei Monaten, als ich Deutschland verließ – ich habe ein wenig gestottert bevor ich geantwortet habe – Tel Aviv.
Die anderen Israelis in der Schlange vor dem Check-in waren, wie Israelis es so oft in Schlangen sind, unerträglich. "Ich habe nur eine Frage" sagte mir eine Frau, und raste mit drei riesigen Koffern zum Schalter. "Ich war schon vorher da, und musste nur kurz aufs Klo", sagte ein älterer Herr, und mit der Energie eines 16Jährigen überholte er mich und gab seinen Koffer an die Mitarbeiterin von "Israir". In dem Moment überwältigten mich die Müdigkeit, der Zorn und mein Verlangen nach einer Zigarette, und ich murmelte einige Fluchworte auf Deutsch, die (Gott sei Dank) keiner verstand. In dem Moment aber, als die Menschen um mich gehört haben, dass ich Deutsch rede, habe ich an Ansehen gewonnen und bekam endlich auch die Gelegenheit, meinen Koffer abzugeben und weiter zu gehen zum Duty-Free Bereich, wo ich wie immer eine Stange Zigaretten und ein Buch gekauft habe, um dann eine letzte Kippe zu rauchen und zum Einstiegstor zu gehen.
Ich hatte Angst, ich gebe es zu. Ich hatte Angst davor, nicht mehr sprechen zu können, mich nicht mehr als Teil dieser Stadt, dieses Landes zu fühlen, wie ein Tourist also. Am Flughafen Schönefeld ging alles sehr schnell, und plötzlich war ich draußen, in der Kälte, in Berlin. Jetzt kommt noch einmal ein sentimentaler Teil, bitte entschuldigt mich. Ich habe Freudetränen in den Augen gehabt. Und als ich in die S-Bahn gestiegen bin, nur um zu verstehen dass sie aufgrund von Störungen nicht dahin fährt, wo ich hin muss, habe ich es gespürt – ich bin zuhause.
Was soll ich noch schreiben? Ich habe schon Glühwein getrunken, und Maroni gegessen, ich fahre von Freunden zu Freunden auf meinem Motorrad das treu auf mich gewartet hat, ich spiele wieder mit meinen geliebten "Meschugeles" (wer uns nicht kennt – "Di Meschugeles" sind meine Klezmer-Balkan Musikgruppe), ich bin also, kurz gesagt, glücklich. Gestern, auf dem Weg von Prenzlauerberg nach Charlottenburg, wo ich jetzt wohne, musste ich auf eine Ampel warten, die ewig rot war. Ein Autofahrer, der gesehen hat wie sehr ich friere, ließ mich vorfahren – und ich dachte, ich bin im Himmel. In Israel würde so was nie passieren. Na ja, in Israel friert man aber auch nicht.
Frohen dritten Advent,
Euer Ofer
Wer mal schon in Israel am Flughafen war weiß wovon ich rede, wenn ich sage dass die Sicherheitskontrollen diesmal nicht so lang dauerten, also nur 45 Minuten. Die nette Dame mit dem müden Lächeln und dem Revolver in dem Gürtel fragte mich, wo ich wohne, und ich gebe zu – genauso wie vor zwei Monaten, als ich Deutschland verließ – ich habe ein wenig gestottert bevor ich geantwortet habe – Tel Aviv.
Die anderen Israelis in der Schlange vor dem Check-in waren, wie Israelis es so oft in Schlangen sind, unerträglich. "Ich habe nur eine Frage" sagte mir eine Frau, und raste mit drei riesigen Koffern zum Schalter. "Ich war schon vorher da, und musste nur kurz aufs Klo", sagte ein älterer Herr, und mit der Energie eines 16Jährigen überholte er mich und gab seinen Koffer an die Mitarbeiterin von "Israir". In dem Moment überwältigten mich die Müdigkeit, der Zorn und mein Verlangen nach einer Zigarette, und ich murmelte einige Fluchworte auf Deutsch, die (Gott sei Dank) keiner verstand. In dem Moment aber, als die Menschen um mich gehört haben, dass ich Deutsch rede, habe ich an Ansehen gewonnen und bekam endlich auch die Gelegenheit, meinen Koffer abzugeben und weiter zu gehen zum Duty-Free Bereich, wo ich wie immer eine Stange Zigaretten und ein Buch gekauft habe, um dann eine letzte Kippe zu rauchen und zum Einstiegstor zu gehen.
Ich hatte Angst, ich gebe es zu. Ich hatte Angst davor, nicht mehr sprechen zu können, mich nicht mehr als Teil dieser Stadt, dieses Landes zu fühlen, wie ein Tourist also. Am Flughafen Schönefeld ging alles sehr schnell, und plötzlich war ich draußen, in der Kälte, in Berlin. Jetzt kommt noch einmal ein sentimentaler Teil, bitte entschuldigt mich. Ich habe Freudetränen in den Augen gehabt. Und als ich in die S-Bahn gestiegen bin, nur um zu verstehen dass sie aufgrund von Störungen nicht dahin fährt, wo ich hin muss, habe ich es gespürt – ich bin zuhause.
Was soll ich noch schreiben? Ich habe schon Glühwein getrunken, und Maroni gegessen, ich fahre von Freunden zu Freunden auf meinem Motorrad das treu auf mich gewartet hat, ich spiele wieder mit meinen geliebten "Meschugeles" (wer uns nicht kennt – "Di Meschugeles" sind meine Klezmer-Balkan Musikgruppe), ich bin also, kurz gesagt, glücklich. Gestern, auf dem Weg von Prenzlauerberg nach Charlottenburg, wo ich jetzt wohne, musste ich auf eine Ampel warten, die ewig rot war. Ein Autofahrer, der gesehen hat wie sehr ich friere, ließ mich vorfahren – und ich dachte, ich bin im Himmel. In Israel würde so was nie passieren. Na ja, in Israel friert man aber auch nicht.
Frohen dritten Advent,
Euer Ofer
Dienstag, 8. Dezember 2009
Israelisches Tagebuch 15
Es wird ein kurzer Eintrag, vielleicht nur ein Gedanke.
Heute Abend haben wir ein Konzert gespielt, in Rishon LeZion. Dvoraks Cellokonzert, La Wals von Ravel, ein unerträgliches israelisches zeitgenössisches Stück, und zum krönenden Abschluss, die Orchestersuite aus "Der Rosenkavalier" von Strauss. Ich habe den Rosenkavalier schon gespielt, in Berlin und in Nürnberg. Die Bilder, die ich im Kopf habe wenn ich diese Musik spiele, sind aber aus Salzburg – wo ich die Wiener Staatsoper mit einer prächtigen Inszenierung erlebt habe. Schöne Frauen, schöne Männer, schöne Kleider, großzügiges Bühnenbild, nach bestem österreichischen Geschmack.
Der letzte Akkord verschwand im Konzertsaal, der (deutsche) Dirigent lies das Orchester aufstehen, und das Publikum applaudierte freudig und laut. Ich ging mit meinen Kollegen von der Bühne ins Treppenhaus, und dann in den großen Orchesteraufenthaltsraum. An einer Seite des Raums steht ein riesiger Fernsehapparat, auf dessen Bildschirm grade die Nachrichten liefen. Ich schaute sie kurz an, beim Vorbeigehen. Siedler, zornig und handgreiflich, füllten die Bildfläche. Sie kämpften heute gegen die Polizei, weil diese ihnen das Regierungsbefehl erteilen wollte, in dem steht – sie dürfen für die nächsten 10 Monate in den Siedlungen nichts bauen. Für sie ist das ein böses Omen, ein Vorspiel für die Evakuierung die mit einem Friedensprozess verbunden ist. Also kämpfen sie mit allen Mitteln dagegen. Vor meinen Augen sehe ich wie hassvoll sie alles beschimpfen, was mir heilig ist. Sie hassen die Linken, sie hassen die Araber, sie hassen Obama und Netanyahu, sie hassen, glaube ich, Menschen wie wir.
Ich kam aus meiner heilen Welt der K und K Monarchie und begriff, auf einmal, wo ich lebe. Wird es hier zu einem Bürgerkrieg kommen? Das Wort ist dem heutigen israelischen Dialog nicht fremd. Wird er aber kommen? Oder werden wir in ein anderes gegenseitiges Abschlachten mit den Arabern gespült? Ich fühle mich wie jemand der einer gigantischen Katastrophe entgegen geschleudert wird, klein und machtlos. Oh je.
Gute Nacht aus Tel Aviv,
Euer Ofer
Heute Abend haben wir ein Konzert gespielt, in Rishon LeZion. Dvoraks Cellokonzert, La Wals von Ravel, ein unerträgliches israelisches zeitgenössisches Stück, und zum krönenden Abschluss, die Orchestersuite aus "Der Rosenkavalier" von Strauss. Ich habe den Rosenkavalier schon gespielt, in Berlin und in Nürnberg. Die Bilder, die ich im Kopf habe wenn ich diese Musik spiele, sind aber aus Salzburg – wo ich die Wiener Staatsoper mit einer prächtigen Inszenierung erlebt habe. Schöne Frauen, schöne Männer, schöne Kleider, großzügiges Bühnenbild, nach bestem österreichischen Geschmack.
Der letzte Akkord verschwand im Konzertsaal, der (deutsche) Dirigent lies das Orchester aufstehen, und das Publikum applaudierte freudig und laut. Ich ging mit meinen Kollegen von der Bühne ins Treppenhaus, und dann in den großen Orchesteraufenthaltsraum. An einer Seite des Raums steht ein riesiger Fernsehapparat, auf dessen Bildschirm grade die Nachrichten liefen. Ich schaute sie kurz an, beim Vorbeigehen. Siedler, zornig und handgreiflich, füllten die Bildfläche. Sie kämpften heute gegen die Polizei, weil diese ihnen das Regierungsbefehl erteilen wollte, in dem steht – sie dürfen für die nächsten 10 Monate in den Siedlungen nichts bauen. Für sie ist das ein böses Omen, ein Vorspiel für die Evakuierung die mit einem Friedensprozess verbunden ist. Also kämpfen sie mit allen Mitteln dagegen. Vor meinen Augen sehe ich wie hassvoll sie alles beschimpfen, was mir heilig ist. Sie hassen die Linken, sie hassen die Araber, sie hassen Obama und Netanyahu, sie hassen, glaube ich, Menschen wie wir.
Ich kam aus meiner heilen Welt der K und K Monarchie und begriff, auf einmal, wo ich lebe. Wird es hier zu einem Bürgerkrieg kommen? Das Wort ist dem heutigen israelischen Dialog nicht fremd. Wird er aber kommen? Oder werden wir in ein anderes gegenseitiges Abschlachten mit den Arabern gespült? Ich fühle mich wie jemand der einer gigantischen Katastrophe entgegen geschleudert wird, klein und machtlos. Oh je.
Gute Nacht aus Tel Aviv,
Euer Ofer
Montag, 7. Dezember 2009
Israelisches Tagebuch 14
Seid Ihr bewaffnet? Nur mal so, nebenbei gefragt. Seid Ihr es? Habt Ihr, ganz zufällig natürlich, Euer AK-47 in der Einkaufstüte vergessen? Oder diese schöne Handgranate die Ihr letztes Jahr vom Opa zu Weihnachten geschenkt bekommen habt? Kann ja mal vorkommen, so ist es nicht. Ich zumindest bekomme diese Frage ziemlich häufig gestellt. Am Eingang zum Kino, Zum Supermarkt, zur Uni, immer mit ein Paar Streicheleinheiten von einem Metaldetektor. "Ersatz", hat es ein israelischer Autor genannt. Er meinte, die Israelis brauchen immer ein wenig von dem Gefühl, sie seien im Einsatz, oder zumindest in irgendeiner Art Gefahr. Andere Menschen sagen, die Bedrohungen sind immer noch da, und müssen ernst genommen werden. Sie haben wahrscheinlich beide Recht. Ich kann es mir halt kaum vorstellen, am Eingang zum Lidl von einem alten netten Herrn mit schwerem russischen Akzent aufgefordert zu werden, meine Tasche aufzumachen.
Heute, nachdem ich diese offizielle Begrüßung am Eingang des "Disengoff-Centre" in Tel Aviv bekommen habe, bin ich in einen Heimwerkladen gegangen. Es ist leider so, dass der nette Mann der den Auftrag hat, unserer Wohnung den letzten Schliff zu geben, besser mit einer Tasse Kaffee und einer Zigarette umgehen kann als mit einer Bohrmaschine. Ich gebe zu, es ist nett mit ihm zu plaudern, er hat viel gesehen und erzählt gerne davon. Er ist ein jemenitischer Jude, dunkel braun mit großen, schwarzen Augen, und er macht den besten schwarzen Kaffee den ich je von jüdischer Hand bekommen habe (die Araber, man muss es zugeben, machen es besser). Heute war er da um einiges im Badezimmer zu reparieren. Während er ausführlich über die Dummheit seines Kollegen berichtet hat, rief mich die Hausbesitzerin an. Wer meine ersten Bolgeinträge gelesen hat, weiß dass diese nette Dame fließend Deutsch kann. Als sie verstanden hat, dass ihr treuer Handarbeiter in Hörweite war, bat sie mich darum ihr auf Deutsch zu berichten, was in der Wohnung noch zu tun sei. "Nun gut", sagte sie, "Wenn Sie mich fragen, wären Sie gut beraten wenn Sie selber in den Heimwerkladen gehen und das nötige besorgen. Ich gebe Ihnen das Geld zurück. Und reparieren Sie alles selbst. Es geht wirklich schneller."
Ich kann mit Stolz berichten, ich habe es geschafft das Badezimmer allein in Ordnung zu bringen. Ich gebe aber zu, ein leichtes Zittern in den Händen zu spüren – das kommt, nehme ich an, von dem ganzen Kaffee.
Und jetzt sitze ich im Wohnzimmer, draußen regnet es, und ich denke daran dass ich in ein Paar Tagen in Berlin bin. Ich kann es mir, ehrlich gesagt, kaum vorstellen. Jedes Mal, als ich von einem Besuch in Israel nach Berlin zurückkam, war es mir wahnsinnig wichtig mich so schnell wie möglich von der israelischen "Masse", die mit mir den Flughafen verließ, zu trennen. Ich wollte schnell wieder einer von "hier" sein, ich machte mein deutsches Handy an und suchte die Euromünzen in meiner Tasche, und freute mich sichtlich auf das beschießene Wetter. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, kommt es mir blöd vor. Ich kann mir aber vorstellen dass es mir fehlen würde, in meine Wohnung zurückzukehren. Dieses Gefühl, meine Tasche auf den Holzboden zu stellen, durch die Zimmer zu gehen um zu schauen dass alles in Ordnung ist. Es wird mir fehlen, meinen Dönderfreund zu begrüßen, den Verkäufer im Spätverkauf, oder die böse Nachbarin, die sehnsüchtig auf die Rückkehr von Erich Honecker wartet. Meine Berliner Momente, halt.
Bevor ich jetzt zu sentimental werde, gehe ich lieber ins Bett.
Ich drücke Euch alle und freue mich riesig darauf, Euch bald zu sehen,
Euer Ofer
Heute, nachdem ich diese offizielle Begrüßung am Eingang des "Disengoff-Centre" in Tel Aviv bekommen habe, bin ich in einen Heimwerkladen gegangen. Es ist leider so, dass der nette Mann der den Auftrag hat, unserer Wohnung den letzten Schliff zu geben, besser mit einer Tasse Kaffee und einer Zigarette umgehen kann als mit einer Bohrmaschine. Ich gebe zu, es ist nett mit ihm zu plaudern, er hat viel gesehen und erzählt gerne davon. Er ist ein jemenitischer Jude, dunkel braun mit großen, schwarzen Augen, und er macht den besten schwarzen Kaffee den ich je von jüdischer Hand bekommen habe (die Araber, man muss es zugeben, machen es besser). Heute war er da um einiges im Badezimmer zu reparieren. Während er ausführlich über die Dummheit seines Kollegen berichtet hat, rief mich die Hausbesitzerin an. Wer meine ersten Bolgeinträge gelesen hat, weiß dass diese nette Dame fließend Deutsch kann. Als sie verstanden hat, dass ihr treuer Handarbeiter in Hörweite war, bat sie mich darum ihr auf Deutsch zu berichten, was in der Wohnung noch zu tun sei. "Nun gut", sagte sie, "Wenn Sie mich fragen, wären Sie gut beraten wenn Sie selber in den Heimwerkladen gehen und das nötige besorgen. Ich gebe Ihnen das Geld zurück. Und reparieren Sie alles selbst. Es geht wirklich schneller."
Ich kann mit Stolz berichten, ich habe es geschafft das Badezimmer allein in Ordnung zu bringen. Ich gebe aber zu, ein leichtes Zittern in den Händen zu spüren – das kommt, nehme ich an, von dem ganzen Kaffee.
Und jetzt sitze ich im Wohnzimmer, draußen regnet es, und ich denke daran dass ich in ein Paar Tagen in Berlin bin. Ich kann es mir, ehrlich gesagt, kaum vorstellen. Jedes Mal, als ich von einem Besuch in Israel nach Berlin zurückkam, war es mir wahnsinnig wichtig mich so schnell wie möglich von der israelischen "Masse", die mit mir den Flughafen verließ, zu trennen. Ich wollte schnell wieder einer von "hier" sein, ich machte mein deutsches Handy an und suchte die Euromünzen in meiner Tasche, und freute mich sichtlich auf das beschießene Wetter. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, kommt es mir blöd vor. Ich kann mir aber vorstellen dass es mir fehlen würde, in meine Wohnung zurückzukehren. Dieses Gefühl, meine Tasche auf den Holzboden zu stellen, durch die Zimmer zu gehen um zu schauen dass alles in Ordnung ist. Es wird mir fehlen, meinen Dönderfreund zu begrüßen, den Verkäufer im Spätverkauf, oder die böse Nachbarin, die sehnsüchtig auf die Rückkehr von Erich Honecker wartet. Meine Berliner Momente, halt.
Bevor ich jetzt zu sentimental werde, gehe ich lieber ins Bett.
Ich drücke Euch alle und freue mich riesig darauf, Euch bald zu sehen,
Euer Ofer
Samstag, 28. November 2009
Israelisches Tagebuch 13
Es ist Schabbatabend, alles ist ruhig, eine einsame Polizeisirene heult in der Ferne, Gili schläft, erschöpft von einer harten Woche, und ich freue mich darauf, Euch was zu schreiben.
Gestern hatte ich eine Simulation an der Uni – sie ging um das neue Sicherheitskonzept der NATO. Wir waren ca. 25 Studenten aus aller Welt, und jeder musste sich ein Land aussuchen, das er oder sie vertreten will. Ihr dürft einmal raten welches Land ich mir ausgesucht habe – und nein, Franken zählt leider nicht zu den NATO Mitgliedsstaaten. Ja ja liebe Freunde, ich trug ein Namensschild mit der deutschen Fahne, habe für gute Handelsbeziehungen mit dem Iran propagiert, verhielt mich dem amerikanischen Botschafter (einem netten Doktoranten aus München) gegenüber kühl, scherzte freundlich mit der hübschen französischen Botschafterin über ein Glas Cola, und das alles auf Englisch mit einem horrenden deutschen Akzent. Kurz gesagt, bis auf die komische Gesichtshaut, war ich der perfekte Guido Westerwelle. Ich glaube manchmal, an der Uni ist man sich nicht so sicher wo ich herkomme. Ich trage zwar einen israelischen Namen, ziehe mich aber nicht so israelisch an, also komme nicht mit Sandalen und durchlöcherter Jeans in die Uni, und wechsle, wenn es nur möglich ist, von Hebräisch zu Deutsch. Und das schlimmste – als Bayern München Maccabi Haifa 1-0 geschlagen hat, war ich nicht so traurig (ich möchte hier aber ausdrücklich erwähnen, dass ich kein Bayern-Fan bin. Es lebe der 1. FCN!).
Ich habe meinem Bruder erzählt dass ich dieses Tagebuch schreibe. Es war auf einer Fahrt durch ein arabisches Dort, westlich von Jerusalem. Ich habe ihm von der Arbeit abgeholt, und er fragte mich wie ich den Kontakt nach Deutschland halte. "Und was erzählst Du Deinen deutschen Freunden?"
Was erzähle ich Euch? Wären die, die meinen Blog lesen, alle Israelis, was hätte ich Ihnen erzählt? In wiefern wäre es anderes? Ich schreibe meine Geschichte, gesehen aber (zumindest zum Teil) durch deutsche Augen. Meinen israelischen Freunden würde keine Geschichte über das Kreuzigungstsal interessieren. Oder über den Weg nach Mount Scoupus, wo meine Uni liegt. Versuche ich Israel für Euch romantischer auszumahlen? Versuche ich Euch den Zauber des Orients mit Worten zu vermitteln, verstärkt aber, um es irgendwie anziehender wirken zu lassen, romantischer halt?
Ich weiß noch, jedes Mal als ich Deutschland beschreiben wollte als ich noch dort gelebt habe, habe ich erstens immer von der Kälte berichtet. Waren es 0 Grad, habe ich es -5 sein lassen. Waren es -20, als meine Freunde in Berlin oder Nürnberg sich zuhause versteckt haben bis es draußen erträglicher wird, habe ich meinen Eltern erzählt, es sei völlig normal und macht mir nichts aus. Wahrscheinlich wollte ich den Menschen aus meiner alten Heimat das Gefühl geben, ich gehöre zu diesem Ort, zu Deutschland, ich habe mich an das deutsche Wetter und an alles gewöhnt. Vielleicht wollte ich Ihnen ein wenig fremd vorkommen, das Fremdsein, so schwierig es für einen sein kann, macht aus sexy. In Israel wird der Name "Florian" seinem Träger zumindest das Recht geben, eine Frau auf ein Getränk einzuladen, und in Deutschland kann der Name Ofer wenigstens für erhöhte Aufmerksamkeit sorgen. Ich weiß noch, wie eine junge Dame aus Berlin mich fragte, nachdem ich ihr meinen Namen verriet, ob meine Eltern mich nicht mochten. Ich musste ihr meinen Pass zeigen, und erklären, Ofer heißt in Israel Rehkiez und sei ein völlig normaler Name.
Es ist lustig - wenn ich zurück an die Frage denke was ich wem erzähle, denke ich daran, was ich meinen deutschen Freunden die mich hier besuchten gezeigt habe. So helfe mir Gott gehe ich selten in die Jerusalemer Altstadt, es sei denn, ich habe Besuch aus Deutschland oder muss Geschenke für Europäische Freunde kaufen. Das gleiche gilt umgekehrt – die Currywurstbude unter der Brücke an der Schönhauseralle in Berlin sah ich auch nur als Freunde aus Israel in Berlin waren, oder die Burg in Nürnberg, oder das Brandenburger Tor.
Ich habe mich erschrocken – ich will nicht dass Ihr jetzt denkt, ich schreibe hier Mist. Es ist alles so wie es ist und war. Aber genau durch solche Fragen suche ich in mir die Grenze zwischen dem deutschen und dem Israelischen Dasein, falls es eine überhaupt gibt. Ich bleibe auf dieser Suche aber ruhig – selbst wenn ich eine solche Grenze finden sollte, habe ich das nötige Visum dafür.
Leila Tov (Gute Nacht) aus Tel Aviv,
Euer Ofer
Gestern hatte ich eine Simulation an der Uni – sie ging um das neue Sicherheitskonzept der NATO. Wir waren ca. 25 Studenten aus aller Welt, und jeder musste sich ein Land aussuchen, das er oder sie vertreten will. Ihr dürft einmal raten welches Land ich mir ausgesucht habe – und nein, Franken zählt leider nicht zu den NATO Mitgliedsstaaten. Ja ja liebe Freunde, ich trug ein Namensschild mit der deutschen Fahne, habe für gute Handelsbeziehungen mit dem Iran propagiert, verhielt mich dem amerikanischen Botschafter (einem netten Doktoranten aus München) gegenüber kühl, scherzte freundlich mit der hübschen französischen Botschafterin über ein Glas Cola, und das alles auf Englisch mit einem horrenden deutschen Akzent. Kurz gesagt, bis auf die komische Gesichtshaut, war ich der perfekte Guido Westerwelle. Ich glaube manchmal, an der Uni ist man sich nicht so sicher wo ich herkomme. Ich trage zwar einen israelischen Namen, ziehe mich aber nicht so israelisch an, also komme nicht mit Sandalen und durchlöcherter Jeans in die Uni, und wechsle, wenn es nur möglich ist, von Hebräisch zu Deutsch. Und das schlimmste – als Bayern München Maccabi Haifa 1-0 geschlagen hat, war ich nicht so traurig (ich möchte hier aber ausdrücklich erwähnen, dass ich kein Bayern-Fan bin. Es lebe der 1. FCN!).
Ich habe meinem Bruder erzählt dass ich dieses Tagebuch schreibe. Es war auf einer Fahrt durch ein arabisches Dort, westlich von Jerusalem. Ich habe ihm von der Arbeit abgeholt, und er fragte mich wie ich den Kontakt nach Deutschland halte. "Und was erzählst Du Deinen deutschen Freunden?"
Was erzähle ich Euch? Wären die, die meinen Blog lesen, alle Israelis, was hätte ich Ihnen erzählt? In wiefern wäre es anderes? Ich schreibe meine Geschichte, gesehen aber (zumindest zum Teil) durch deutsche Augen. Meinen israelischen Freunden würde keine Geschichte über das Kreuzigungstsal interessieren. Oder über den Weg nach Mount Scoupus, wo meine Uni liegt. Versuche ich Israel für Euch romantischer auszumahlen? Versuche ich Euch den Zauber des Orients mit Worten zu vermitteln, verstärkt aber, um es irgendwie anziehender wirken zu lassen, romantischer halt?
Ich weiß noch, jedes Mal als ich Deutschland beschreiben wollte als ich noch dort gelebt habe, habe ich erstens immer von der Kälte berichtet. Waren es 0 Grad, habe ich es -5 sein lassen. Waren es -20, als meine Freunde in Berlin oder Nürnberg sich zuhause versteckt haben bis es draußen erträglicher wird, habe ich meinen Eltern erzählt, es sei völlig normal und macht mir nichts aus. Wahrscheinlich wollte ich den Menschen aus meiner alten Heimat das Gefühl geben, ich gehöre zu diesem Ort, zu Deutschland, ich habe mich an das deutsche Wetter und an alles gewöhnt. Vielleicht wollte ich Ihnen ein wenig fremd vorkommen, das Fremdsein, so schwierig es für einen sein kann, macht aus sexy. In Israel wird der Name "Florian" seinem Träger zumindest das Recht geben, eine Frau auf ein Getränk einzuladen, und in Deutschland kann der Name Ofer wenigstens für erhöhte Aufmerksamkeit sorgen. Ich weiß noch, wie eine junge Dame aus Berlin mich fragte, nachdem ich ihr meinen Namen verriet, ob meine Eltern mich nicht mochten. Ich musste ihr meinen Pass zeigen, und erklären, Ofer heißt in Israel Rehkiez und sei ein völlig normaler Name.
Es ist lustig - wenn ich zurück an die Frage denke was ich wem erzähle, denke ich daran, was ich meinen deutschen Freunden die mich hier besuchten gezeigt habe. So helfe mir Gott gehe ich selten in die Jerusalemer Altstadt, es sei denn, ich habe Besuch aus Deutschland oder muss Geschenke für Europäische Freunde kaufen. Das gleiche gilt umgekehrt – die Currywurstbude unter der Brücke an der Schönhauseralle in Berlin sah ich auch nur als Freunde aus Israel in Berlin waren, oder die Burg in Nürnberg, oder das Brandenburger Tor.
Ich habe mich erschrocken – ich will nicht dass Ihr jetzt denkt, ich schreibe hier Mist. Es ist alles so wie es ist und war. Aber genau durch solche Fragen suche ich in mir die Grenze zwischen dem deutschen und dem Israelischen Dasein, falls es eine überhaupt gibt. Ich bleibe auf dieser Suche aber ruhig – selbst wenn ich eine solche Grenze finden sollte, habe ich das nötige Visum dafür.
Leila Tov (Gute Nacht) aus Tel Aviv,
Euer Ofer
Montag, 23. November 2009
Israelisches Tagebuch 12
Der Abstand zwischen meinen Einträgen wird immer größer, ich frage mich wieso, es ist ja nicht so dass ich nichts zu tun habe. Ganz im Gegenteil. Das Orchester nimmt (zu)viel von meiner Zeit, eigentlich komme ich grad von einem Konzert. Die Universität füllt die Lücken zwischen den Proben und Konzerten – ich muss Artikel über Artikel lesen, ich lerne ja über Euch, über Deutschland. Ich finde es übrigens amüsant einen ewiglangen Artikel über den Unterschied zwischen Ost und Westdeutschland zu lesen, ich denke manchmal im Unterricht – man muss nur einen Abend in einer Kneipe in Köpenick verbringen und am nächsten Tag nach Nürnberg fahren, und im Café Wanderer ein feines fränkisches Bier trinken und sich dabei mit der Kundschaft unterhalten, dann hat man den Unterschied vollkommen kapiert.
Und doch gibt es Momente, die ich gern mit Euch teilen würde. Den letzten Samstag, zum Beispiel.
Gili und ich haben das Wochenende in Jerusalem verbracht. Ich bin zwar oft in Jerusalem, meine Uni ist ja dort, und trotzdem erst dann wenn ich bei meinen Eltern bin, in der Wohnung wo ich aufgewachsen bin, habe ich das Gefühl – ich bin an dem Ort, den ich vor 10 Jahren verlassen habe. Es ist nicht unbedingt einfach, einen neuen Platz zu finden oder sich zu schaffen, meine Familie hat sich ja daran gewöhnt dass ich weit weg bin. Mein Zimmer ist zwar unverändert geblieben aber ich merke die Jahre, die vergangen sind, in der kurzen Zögerung meiner Neffen und Nichten bevor sie mich umarmen, ich bin ja "Der Onkel aus Berlin mit der leckeren Schokolade und mit der komischen Sprache", der weg war als sie noch nicht auf der Welt waren. Ich glaube, sie haben auch an dem ersten Wochenende nach meiner Ankunft in Israel gespürt, dass ich ein wenig traurig bin.
Ich wollte Euch eigentlich über einen Spaziergang erzählen, den ich mit Gili gemacht habe. In Jerusalem ist es wesentlich kälter als in Tel Aviv, es liegt ja fast 900 Meter über dem Meeresspiegel (ich weiß, kälter ist relativ…). Als am Samstagnachmittag die Sonne kurz rauskam, sind Gili und ich in das Kreuzigungstal gegangen, ein wunderschöner Ort gleich in der Nähe meiner Elternwohnung. Ich bin als Kind immer sehr gerne hierher gekommen – mitten in Jerusalem, unter dem israelischen Parlament und dem israelischen Museum (wo die ältesten Kopien der Bibel liegen, also die hebräische Version, ohne Eure Fortsetzung…) liegt dieses Tal, gepflastert mit Pinien und Ölbäumen, immer ruhig und immer grün. An seinem tiefsten Punkt liegt das Kreuzigungskloster, mit einer Kapelle die 1500 Jahre alt ist. Nach der christlichen Tradition ist hier der Baum gewachsen, von dem man das Kreuz von Jesus geschnitzt hat. Das Kloster sieht aus wie ein riesiges, massives Stück Stein, und eine Urigkeit weht über den ganzen Ort. Hinter den hohen Mauern leben einige Mönche der Griechisch-orthodoxen Kirche, die entweder Griechen oder Palästinenser sind. Sie sind sehr nett, reden nur gebrochenes Englisch oder Hebräisch, und zeigen einem die Kirche gern (na ja, man muss ein wenig zahlen), die auch an den heißesten Tagen des Jahres kühl bleibt. Ich bin gerne an solchen Orten, Gili ein bisschen weniger – ihr sind diese Urigkeit, diese Heiligkeit und Schwere die man in Jerusalem überall spürt irgendwie unheimlich. Sie zieht Tel Aviv vor, und wird erst dann entspannt, wenn wir im Auto die Jerusalemer Berge hinter uns bringen und die westliche, leuchtende Skyline Tel Avivs vor uns sehen.
Aber Tel Aviv ist ja eine andere Geschichte, und ich muss jetzt schlafen – morgen warten Bruckners vierte Sinfonie und eine Vorlesung über soziales Denken in Deutschland und Frankreich auf mich.
Gute Nacht aus Tel Aviv,
Euer Ofer
Und doch gibt es Momente, die ich gern mit Euch teilen würde. Den letzten Samstag, zum Beispiel.
Gili und ich haben das Wochenende in Jerusalem verbracht. Ich bin zwar oft in Jerusalem, meine Uni ist ja dort, und trotzdem erst dann wenn ich bei meinen Eltern bin, in der Wohnung wo ich aufgewachsen bin, habe ich das Gefühl – ich bin an dem Ort, den ich vor 10 Jahren verlassen habe. Es ist nicht unbedingt einfach, einen neuen Platz zu finden oder sich zu schaffen, meine Familie hat sich ja daran gewöhnt dass ich weit weg bin. Mein Zimmer ist zwar unverändert geblieben aber ich merke die Jahre, die vergangen sind, in der kurzen Zögerung meiner Neffen und Nichten bevor sie mich umarmen, ich bin ja "Der Onkel aus Berlin mit der leckeren Schokolade und mit der komischen Sprache", der weg war als sie noch nicht auf der Welt waren. Ich glaube, sie haben auch an dem ersten Wochenende nach meiner Ankunft in Israel gespürt, dass ich ein wenig traurig bin.
Ich wollte Euch eigentlich über einen Spaziergang erzählen, den ich mit Gili gemacht habe. In Jerusalem ist es wesentlich kälter als in Tel Aviv, es liegt ja fast 900 Meter über dem Meeresspiegel (ich weiß, kälter ist relativ…). Als am Samstagnachmittag die Sonne kurz rauskam, sind Gili und ich in das Kreuzigungstal gegangen, ein wunderschöner Ort gleich in der Nähe meiner Elternwohnung. Ich bin als Kind immer sehr gerne hierher gekommen – mitten in Jerusalem, unter dem israelischen Parlament und dem israelischen Museum (wo die ältesten Kopien der Bibel liegen, also die hebräische Version, ohne Eure Fortsetzung…) liegt dieses Tal, gepflastert mit Pinien und Ölbäumen, immer ruhig und immer grün. An seinem tiefsten Punkt liegt das Kreuzigungskloster, mit einer Kapelle die 1500 Jahre alt ist. Nach der christlichen Tradition ist hier der Baum gewachsen, von dem man das Kreuz von Jesus geschnitzt hat. Das Kloster sieht aus wie ein riesiges, massives Stück Stein, und eine Urigkeit weht über den ganzen Ort. Hinter den hohen Mauern leben einige Mönche der Griechisch-orthodoxen Kirche, die entweder Griechen oder Palästinenser sind. Sie sind sehr nett, reden nur gebrochenes Englisch oder Hebräisch, und zeigen einem die Kirche gern (na ja, man muss ein wenig zahlen), die auch an den heißesten Tagen des Jahres kühl bleibt. Ich bin gerne an solchen Orten, Gili ein bisschen weniger – ihr sind diese Urigkeit, diese Heiligkeit und Schwere die man in Jerusalem überall spürt irgendwie unheimlich. Sie zieht Tel Aviv vor, und wird erst dann entspannt, wenn wir im Auto die Jerusalemer Berge hinter uns bringen und die westliche, leuchtende Skyline Tel Avivs vor uns sehen.
Aber Tel Aviv ist ja eine andere Geschichte, und ich muss jetzt schlafen – morgen warten Bruckners vierte Sinfonie und eine Vorlesung über soziales Denken in Deutschland und Frankreich auf mich.
Gute Nacht aus Tel Aviv,
Euer Ofer
Dienstag, 10. November 2009
Israelisches Tagebuch 11
Liebe Freunde,
ich sitze vor dem Fernseher und sehe Bilder aus Berlin, es ist ja der 9 November, und vermisse Euch sehr. Im ersten israelischen Sender lief ein Dokufilm über Ostalgie, und ich habe mir gedacht –
ich kenne diese Bilder und glaube, ihre Bedeutung in mir zu spüren. Erst vor ein Paar Monaten saß ich mit David und Jan in Prenzlauer Berg, und die zwei, jeglicher Nüchternheit völlig fremd, versuchten anhand von Mundgeräuschen mir den klanglichen Unterschied zwischen einer Trabbitür die zugemacht wird und einer Wartburgtür.
Ich kenne das Gesicht eines Ossis wenn er plötzlich still steht und sagt, "Mensch, es riecht hier nach DDR". Und der charmante Sächsische Dialekt (mit dem David der Hornist mich jedes Mal vor Lachen flach gelegt hat) den ich nicht nachmachen kann obwohl ich es seit 10 Jahren versuche (ich glaube, es wirkt peinlich wenn ich es mache, entschuldigt mich bitte) weckt bei mir starke Erinnerungen, wenn ich ihn jetzt von einem Vopo auf dem Bildschirm höre.
Es ist über einen Monat her seitdem ich nach Israel flog. Ich merke wie diese Erinnerungen an Deutschland, gespeichert und hervorgerufen auf einer Sprache die meiner Umgebung völlig fremd ist, sich zu einer kleinen geschlossenen Welt in mir versammeln. Ich kann diese Welt mit meinen Freunden hier nicht teilen. Für sie bleibt Deutschland der Ursprung von besoffenen Touristen, Von FC Bayern München und guten Autos, von Bier und Nazis und Beethoven. Ich weiß noch, wie viele meiner deutschen Freunde über Israel geredet haben, als wir uns kennen lernten. Ich weiß, dass viele jetzt eine andere Meinung über mein Vaterland haben – nicht weil wir über Politik oder die Geschichte geredet haben, sondern weil sie jetzt ein Gesicht hinter dem Namen "Israel" kennen, einen Menschen. Ich wünsche mir, den gleichen Effekt bei meinen israelischen Freunden zu erreichen.
Ich drücke Euch alle,
Euer Ofer
ich sitze vor dem Fernseher und sehe Bilder aus Berlin, es ist ja der 9 November, und vermisse Euch sehr. Im ersten israelischen Sender lief ein Dokufilm über Ostalgie, und ich habe mir gedacht –
ich kenne diese Bilder und glaube, ihre Bedeutung in mir zu spüren. Erst vor ein Paar Monaten saß ich mit David und Jan in Prenzlauer Berg, und die zwei, jeglicher Nüchternheit völlig fremd, versuchten anhand von Mundgeräuschen mir den klanglichen Unterschied zwischen einer Trabbitür die zugemacht wird und einer Wartburgtür.
Ich kenne das Gesicht eines Ossis wenn er plötzlich still steht und sagt, "Mensch, es riecht hier nach DDR". Und der charmante Sächsische Dialekt (mit dem David der Hornist mich jedes Mal vor Lachen flach gelegt hat) den ich nicht nachmachen kann obwohl ich es seit 10 Jahren versuche (ich glaube, es wirkt peinlich wenn ich es mache, entschuldigt mich bitte) weckt bei mir starke Erinnerungen, wenn ich ihn jetzt von einem Vopo auf dem Bildschirm höre.
Es ist über einen Monat her seitdem ich nach Israel flog. Ich merke wie diese Erinnerungen an Deutschland, gespeichert und hervorgerufen auf einer Sprache die meiner Umgebung völlig fremd ist, sich zu einer kleinen geschlossenen Welt in mir versammeln. Ich kann diese Welt mit meinen Freunden hier nicht teilen. Für sie bleibt Deutschland der Ursprung von besoffenen Touristen, Von FC Bayern München und guten Autos, von Bier und Nazis und Beethoven. Ich weiß noch, wie viele meiner deutschen Freunde über Israel geredet haben, als wir uns kennen lernten. Ich weiß, dass viele jetzt eine andere Meinung über mein Vaterland haben – nicht weil wir über Politik oder die Geschichte geredet haben, sondern weil sie jetzt ein Gesicht hinter dem Namen "Israel" kennen, einen Menschen. Ich wünsche mir, den gleichen Effekt bei meinen israelischen Freunden zu erreichen.
Ich drücke Euch alle,
Euer Ofer
Montag, 9. November 2009
Israelisches Tagebuch 10
Liebe Freunde,
ich habe mir ganz schön viel Zeit gelassen zwischen dem letzten Eintrag und diesem. Es liegt nicht daran, dass ich nichts erlebt habe – wie Ihr Euch vorstellen könnt, war schon ziemlich viel los seitdem ich Euch was geschrieben habe.
Mein Leben bewegt sich auf verschiedenen Ebenen, die wenige Gemeinsamkeiten miteinander haben. Auf der einen Seite, bin ich jetzt voll beschäftigt in meinem Orchester, dem "Israel Symphony Orchestra Rishon Le-Zion", oder besser bekannt als das Opernorchester. Der Hauptsitz des Orchesters ist in der Stadt Rishon- Le-Zion (Der erste in Zion), südlich von Tel Aviv. Es gibt eine lustige Geschichte, die diese Stadt gut beschreibt. Vor einigen Jahren, bei einem Schönheitswettbewerb, wurde die Gewinnerin gefragt wo sie herkommt. "Kiew" hat sie gesagt. "Nein, wo kommst Du jetzt her, in diesem Land," fragte der Moderator. "Ah. Rishon Le- Zion". Und so ist es – in den letzten 20 Jahren, seit der großen Migrationwelle von Juden aus der ehmaligen UdSSR, besteht die Bevölkerung dieser Stadt über 50 Prozent aus, naja, Russen. In meinem Orchester sind es ca. 80 Prozent. Na dann, Nastarowia!
Die Kollegen sind eigen, der Chef ist nett und respektiert mich sehr, da er wie ich in Berlin seine seelische Heimat gefunden hat (er war der Assistent von D. Barenboim an der Staatsoper). In der Horngruppe, zum Glück, haben die die in Deutschland studiert haben die Oberhand. Das heißt ich muss meine Spielart nicht adaptieren – ganz im Gegenteil, alle Kollegen geben meiner musikalischen Meinung sehr viel Gewischt. Nichtsdestotrotz bleibt es komisch hier zu spielen, auf Hebräisch zu proben, es ist so als ob mein Horn nur Deutsch spricht.
Ich merke sowieso, dass die deutsche Sprache eine der wichtigsten Brücken ist, die ich nach Deutschland gebaut habe. Ich glaube, hätte ich diese Sprache nicht mit Liebe und vollem Einsatz gelernt, wäre meine Zeit in Deutschland nicht nur erheblich kürzer gewesen, sondern auch ärmer. Ich erlaube es mir zu sagen, dass es zwischen meinen Deutschen Freunden – also Euch – und mir keine Sprachbarriere gibt. Und so pflege ich es, jeden Tag Deutsch zu sprechen – sei es an der Uni mit meinem Dozenten für Politik und kollektives Gedächtnis, oder bei einer Veranstaltung des Goethe Instituts (ich war am Freitag auf einem Konzert von den 17 Hippies! Es war großartig!), oder am Telefon mit Freunden aus Deutschland.
Der Unterschied zwischen den Sprachen, Deutsch und Hebräisch, ist aber enorm. Ich wurde mal gefragt, wie man diesen Unterschied beschreiben könnte. Erstmal, wenn man die hebräische und deutsche Versionen des gleichen Buches nebeneinander stellen würde, wäre der deutsche Band ungefähr doppelt so groß wie der hebräische. Und so kam mir einen poetischen Vergleich in den Sinn – entschuldigt mich, ich bin nun mal so – Deutsch ist wie eine Frucht, saftig, voll, mit Worten für jede Beschreibung und jedes Ding, Worten wie "Geborgenheit", wie "Filigran", und auch wie "Rumpf" und "Trinkwasserverordnung". Hebräisch ist das was passiert, wenn man diese Frucht in die Wüste stellt – sie wird klein und schrumplig, ihr Saft wird aber süßer und stärker, so dass wir auf hebräisch Worte haben die gleichzeitig mehrere Bedeutungen haben, wie "Talui", was "kommt darauf an" bedeuten kann, genauso gut aber "Erhängt" oder "Verloren mitten im Leben", kommt darauf an wo man das Wort einsetzt. Lustig, oder?
Ich kann noch vieles schreiben, zum Beispiel über die Demo auf die Gili und ich gestern gegangen sind zum 14 Gedenktag zur Attentat an Yitzhak Rabin, die traurig war, traurig und hoffnungslos, mit leeren Worten von Politikern die uns seit 20 Jahren das gleiche versprechen. Barak Obama hat eine Videobotschaft geschickt, man kann er gut reden, aber 20 km von hier herrschen immer noch Zustände, die an Südafrika der Apartheidzeit erinnern. Und das werden die schönen Worte über "Frieden", "Völkerverständigung" oder "Zusammenleben" nicht verändern. Und wisst Ihr was der Oberhammer ist? Ihr seid die bösen! Ich meine es (Ausnahmenweise) nicht weil Ihr aus Deutschland kommt, sondern weil Ihr "die Welt" seid, diese metaphysische Welt die hinter dem Meer liegt die Juden hasst und sie zum Frühstück auffressen will. Wenn ich bitten darf, wenn es endlich dazu kommt dass Ihr mich frisst, bitte ganz viel Mayo nehmen und keinen Tropfen Ketschop. Und bitte keine Butter dazu. Butter ist ein Milchprodukt, also wäre es nicht Koscher.
Gute Nacht aus Tel Aviv,
Ofer Waldman
p.s. wie böse seid Ihr mir wenn ich Euch erzähle, Zeitmangel und nicht die Temperaturen hindern mich daran, an den Strand zu gehen?
p.s.s. bitte schreibt mir Kommentare, es gibt mir Motivation mehr zu schreiben...
ich habe mir ganz schön viel Zeit gelassen zwischen dem letzten Eintrag und diesem. Es liegt nicht daran, dass ich nichts erlebt habe – wie Ihr Euch vorstellen könnt, war schon ziemlich viel los seitdem ich Euch was geschrieben habe.
Mein Leben bewegt sich auf verschiedenen Ebenen, die wenige Gemeinsamkeiten miteinander haben. Auf der einen Seite, bin ich jetzt voll beschäftigt in meinem Orchester, dem "Israel Symphony Orchestra Rishon Le-Zion", oder besser bekannt als das Opernorchester. Der Hauptsitz des Orchesters ist in der Stadt Rishon- Le-Zion (Der erste in Zion), südlich von Tel Aviv. Es gibt eine lustige Geschichte, die diese Stadt gut beschreibt. Vor einigen Jahren, bei einem Schönheitswettbewerb, wurde die Gewinnerin gefragt wo sie herkommt. "Kiew" hat sie gesagt. "Nein, wo kommst Du jetzt her, in diesem Land," fragte der Moderator. "Ah. Rishon Le- Zion". Und so ist es – in den letzten 20 Jahren, seit der großen Migrationwelle von Juden aus der ehmaligen UdSSR, besteht die Bevölkerung dieser Stadt über 50 Prozent aus, naja, Russen. In meinem Orchester sind es ca. 80 Prozent. Na dann, Nastarowia!
Die Kollegen sind eigen, der Chef ist nett und respektiert mich sehr, da er wie ich in Berlin seine seelische Heimat gefunden hat (er war der Assistent von D. Barenboim an der Staatsoper). In der Horngruppe, zum Glück, haben die die in Deutschland studiert haben die Oberhand. Das heißt ich muss meine Spielart nicht adaptieren – ganz im Gegenteil, alle Kollegen geben meiner musikalischen Meinung sehr viel Gewischt. Nichtsdestotrotz bleibt es komisch hier zu spielen, auf Hebräisch zu proben, es ist so als ob mein Horn nur Deutsch spricht.
Ich merke sowieso, dass die deutsche Sprache eine der wichtigsten Brücken ist, die ich nach Deutschland gebaut habe. Ich glaube, hätte ich diese Sprache nicht mit Liebe und vollem Einsatz gelernt, wäre meine Zeit in Deutschland nicht nur erheblich kürzer gewesen, sondern auch ärmer. Ich erlaube es mir zu sagen, dass es zwischen meinen Deutschen Freunden – also Euch – und mir keine Sprachbarriere gibt. Und so pflege ich es, jeden Tag Deutsch zu sprechen – sei es an der Uni mit meinem Dozenten für Politik und kollektives Gedächtnis, oder bei einer Veranstaltung des Goethe Instituts (ich war am Freitag auf einem Konzert von den 17 Hippies! Es war großartig!), oder am Telefon mit Freunden aus Deutschland.
Der Unterschied zwischen den Sprachen, Deutsch und Hebräisch, ist aber enorm. Ich wurde mal gefragt, wie man diesen Unterschied beschreiben könnte. Erstmal, wenn man die hebräische und deutsche Versionen des gleichen Buches nebeneinander stellen würde, wäre der deutsche Band ungefähr doppelt so groß wie der hebräische. Und so kam mir einen poetischen Vergleich in den Sinn – entschuldigt mich, ich bin nun mal so – Deutsch ist wie eine Frucht, saftig, voll, mit Worten für jede Beschreibung und jedes Ding, Worten wie "Geborgenheit", wie "Filigran", und auch wie "Rumpf" und "Trinkwasserverordnung". Hebräisch ist das was passiert, wenn man diese Frucht in die Wüste stellt – sie wird klein und schrumplig, ihr Saft wird aber süßer und stärker, so dass wir auf hebräisch Worte haben die gleichzeitig mehrere Bedeutungen haben, wie "Talui", was "kommt darauf an" bedeuten kann, genauso gut aber "Erhängt" oder "Verloren mitten im Leben", kommt darauf an wo man das Wort einsetzt. Lustig, oder?
Ich kann noch vieles schreiben, zum Beispiel über die Demo auf die Gili und ich gestern gegangen sind zum 14 Gedenktag zur Attentat an Yitzhak Rabin, die traurig war, traurig und hoffnungslos, mit leeren Worten von Politikern die uns seit 20 Jahren das gleiche versprechen. Barak Obama hat eine Videobotschaft geschickt, man kann er gut reden, aber 20 km von hier herrschen immer noch Zustände, die an Südafrika der Apartheidzeit erinnern. Und das werden die schönen Worte über "Frieden", "Völkerverständigung" oder "Zusammenleben" nicht verändern. Und wisst Ihr was der Oberhammer ist? Ihr seid die bösen! Ich meine es (Ausnahmenweise) nicht weil Ihr aus Deutschland kommt, sondern weil Ihr "die Welt" seid, diese metaphysische Welt die hinter dem Meer liegt die Juden hasst und sie zum Frühstück auffressen will. Wenn ich bitten darf, wenn es endlich dazu kommt dass Ihr mich frisst, bitte ganz viel Mayo nehmen und keinen Tropfen Ketschop. Und bitte keine Butter dazu. Butter ist ein Milchprodukt, also wäre es nicht Koscher.
Gute Nacht aus Tel Aviv,
Ofer Waldman
p.s. wie böse seid Ihr mir wenn ich Euch erzähle, Zeitmangel und nicht die Temperaturen hindern mich daran, an den Strand zu gehen?
p.s.s. bitte schreibt mir Kommentare, es gibt mir Motivation mehr zu schreiben...
Mittwoch, 28. Oktober 2009
Israelisches Tagebuch 9
Tel Avivsche Idylle, ein Kind spaziert nackt auf dem Sand, ein Hund schreckt ein Paar Tauben ab, ich gehe aus dem Wasser und lasse mich von der sanften Oktobersonne trocknen, ein Buch in der Hand, alles ruhig.
In dem monotonen Rauschen des Meeres entdecken meine Ohren ein anderes Rauschen, oder viel mehr Brummen. Meine Augen suchen und suchen, und da sind sie. Tel Avivsche Idylle, ein Kind spaziert auf dem Strand und ein Hund schreckt ein Paar Tauben ab, und in dem klaren Himmel fliegen zwei Metallvögel, F15 Kampfjets, vielleicht mit einem sonnigen Gruß an unsere Nachbarn im Gazastreifen.
Übrigens, falls Ihr Euch fragt wie ich so sicher bin dass es zwei F15 und nicht etwa F16 oder Miragé waren, kann ich Euch erzählen dass jedes Kind in Israel, und ich natürlich auch, diese Flieger erkennen kann. An dem Schwanz, übrigens. Als ich neun Jahre alt war nahm mich mein Vater mit zu der Luftwaffeparade anlässlich des israelischen Unabhängigkeitstags. Wir sind zu dem Nationalstadium in Ramat Gan gefahren, einem Vorort von Tel Aviv. In diesem Stadium werden normalerweise Fußballspiele gehalten, auch von der israelischen Nationalmannschaft (Wir haben hier einmal Frankreich geschlagen! Echt jetzt!). Drei Stunden lang brummten über unsere Köpfe die feinsten Produkte die man mit amerikanischem Geld kaufen kann, und zum Schluss tanzten zwei "Apachee" Kampfhubschrauber einen Liebestanz zur allgemeinen Freude der Zuschauer.
Ich finde es wunderbar dass ich fast jeden Tag dazu komme, Deutsch zu sprechen. Mal ist es mit der Sekretärin meiner Fakultät, Mal auf irgendeiner Veranstaltung des Goethe Instituts, es passiert mir auch öfter, dass ich deutschen Touristen die sich hier rumirren helfe. Na ja, vorausgesetzt ich kenne die Tel Aviver Strasse, die sie suchen. Ich mahle meine Heimatstadt zwar mit schwierigen Farben, in meinem Herzen bin ich aber ein Jerusalemer, das war ich sogar irgendwie auch in Berlin und Nürnberg.
Ich höre, bei Euch ist grad etwas kälter. Wenn ich jetzt, mit einem T-Shirt auf dem Balkon sitze und dem leisen summen der Klimaanlagen zuhöre, kommt mir die Erinnerung an die deutsche Kälte wie aus einer anderen Welt vor. Neulich, als ich mein Zeug aus den Kisten packte, habe ich einige Kleiderstücke angeschaut und mir dabei gedacht, ich kann sie gleich in den Koffer stecken den ich mit nach Deutschland nehme, da sie hier in Israel ehr ein Wert haben ausgestellt in einem Museum.
Ich schicke Euch allen einen ganz lieben Gruß, Ihr seid hier vermisst,
Ofer
In dem monotonen Rauschen des Meeres entdecken meine Ohren ein anderes Rauschen, oder viel mehr Brummen. Meine Augen suchen und suchen, und da sind sie. Tel Avivsche Idylle, ein Kind spaziert auf dem Strand und ein Hund schreckt ein Paar Tauben ab, und in dem klaren Himmel fliegen zwei Metallvögel, F15 Kampfjets, vielleicht mit einem sonnigen Gruß an unsere Nachbarn im Gazastreifen.
Übrigens, falls Ihr Euch fragt wie ich so sicher bin dass es zwei F15 und nicht etwa F16 oder Miragé waren, kann ich Euch erzählen dass jedes Kind in Israel, und ich natürlich auch, diese Flieger erkennen kann. An dem Schwanz, übrigens. Als ich neun Jahre alt war nahm mich mein Vater mit zu der Luftwaffeparade anlässlich des israelischen Unabhängigkeitstags. Wir sind zu dem Nationalstadium in Ramat Gan gefahren, einem Vorort von Tel Aviv. In diesem Stadium werden normalerweise Fußballspiele gehalten, auch von der israelischen Nationalmannschaft (Wir haben hier einmal Frankreich geschlagen! Echt jetzt!). Drei Stunden lang brummten über unsere Köpfe die feinsten Produkte die man mit amerikanischem Geld kaufen kann, und zum Schluss tanzten zwei "Apachee" Kampfhubschrauber einen Liebestanz zur allgemeinen Freude der Zuschauer.
Ich finde es wunderbar dass ich fast jeden Tag dazu komme, Deutsch zu sprechen. Mal ist es mit der Sekretärin meiner Fakultät, Mal auf irgendeiner Veranstaltung des Goethe Instituts, es passiert mir auch öfter, dass ich deutschen Touristen die sich hier rumirren helfe. Na ja, vorausgesetzt ich kenne die Tel Aviver Strasse, die sie suchen. Ich mahle meine Heimatstadt zwar mit schwierigen Farben, in meinem Herzen bin ich aber ein Jerusalemer, das war ich sogar irgendwie auch in Berlin und Nürnberg.
Ich höre, bei Euch ist grad etwas kälter. Wenn ich jetzt, mit einem T-Shirt auf dem Balkon sitze und dem leisen summen der Klimaanlagen zuhöre, kommt mir die Erinnerung an die deutsche Kälte wie aus einer anderen Welt vor. Neulich, als ich mein Zeug aus den Kisten packte, habe ich einige Kleiderstücke angeschaut und mir dabei gedacht, ich kann sie gleich in den Koffer stecken den ich mit nach Deutschland nehme, da sie hier in Israel ehr ein Wert haben ausgestellt in einem Museum.
Ich schicke Euch allen einen ganz lieben Gruß, Ihr seid hier vermisst,
Ofer
Dienstag, 20. Oktober 2009
Israelisches Tagebuch 8
Es ist heiß in Israel, sehr heiß. In Tel Aviv sind es in dieser Woche über 30 Grad, im Süden sogar 40. Ich springe graziös wie ein Frosch von einer Klimaanlage zur nächsten, von meiner Wohnung in den Bus zum zentralen Busbahnhof in Tel Aviv, dann mit der 405 (Der Bus mit der Ehre, der erste der durch eine Selbstmordattentat zerstört wurde) nach Jerusalem, also in das 19te Jahrhundert. In Jerusalem, in einer Wolke von Busausgasen und den Gerüchen von den Falafelläden, mit Schreien von Taxifahrern und Propheten (die beliebteste Berufsgruppe in dieser Stadt), suche ich nach dem Bus zum Mount Scoupus. Dieser Bus fährt durch Stadtviertel die allein von Ultraorthodoxen besiedelt sind. Wart Ihr mal im jüdischen Museum in Berlin? Schaut mal unter "Polend des 19ten Jahrhunderts". So sieht es dort aus. Familien mit 12 Kindern, Männer mit langen Bärten, Läden mit Neonschildern auf Jiddisch wie "Jidd säin ist gliklich säin, käuft brotele bei Yitchak Stäin" (unübersetzbar).
Der Bus steigt mühsam den Berg hoch, und überquert die gefühlte, aber nicht gesehene Grenze zwischen dem neuen, jüdisch-israelischen Jerusalem und dem alten, orientalischen-arabischen Jerusalem. Meine Uni liegt wie gesagt auf dem Mount Scoupus. Dieser Berg war eine israelische Insel in einem arabischen Meer bevor Israel im Sechs-Tage Krieg Ostjerusalem erobert (oh, Verzeihung, befreit) hat. Vor den Toren der Uni ist der "Jerusalem War Cemetery", der britische Kriegsfriedhof. Hier liegen Soldaten die fern der Heimat im ersten Weltkrieg gegen die Türken gekämpft haben und ihr Leben auf die schon mit genügend Blut getränkte Erde Jerusalems gelassen haben. Hier hat auch mein Vater gekämpft – im Augusta-Victoria Krankenhaus. Ja ja, meine lieben deutschen Freunde, auch Eure Herrscher haben Ihre Liebe zur heiligen Stadt gezeigt, unter anderem mit diesem Krankenhaus, nach der Preußenkaiserin genannt.
Als ich 18 war, kurz bevor ich zur Armee ging, brachte mich mein Vater hierher. Der Anblick ist atemberaubend – von dem Park vor dem Krankenhaus sieht man die gesamte Altstadt, mit der Grabeskirche und dem goldenen Al Aksa Moschee. Gen Osten liegt die jüdäische Wüste, zärtliche runde Stein – und Sandhügel, und an einem guten Tag kann man das jordanische Königsreich sehen, Jenseits des toten Meeres. Romantisch, oder?
"Schau her, Ofer," sagte mein Papa. "In Juni 67´ stand hier ein Lager der jordanischen Legion. Wir haben die ganze Zeit auf dem Mount Scoupus gewartet, und zugesehen wie die jordanische Artillerie Westjerusalem bombardiert. Ich wusste dass Deine Mutter dort sitzt, und ich versuchte zu schauen, ob die Bomben dort auch antreffen, wo wir gewohnt haben. Wir warteten und warteten auf den Befehl, im Radio haben wir gehört dass unsere Armee die Sinai Halbinsel erobert hat, und wir fragten uns – wann kommt Jerusalem? Wann bekommen wir den Befehl?"
Mein Papa ist kein Kriegsheld. Er kämpfte nicht mit dem Messer zwischen den Zähnen, er hat sich auf den Krieg nicht gefreut. Er wusste aber, dass er die letzte Linie ist zwischen den Arabischen Armeen und meiner Mutter, die damals noch nicht wusste dass sie im ersten Monat schwanger war mit meiner Schwester. Dann kam aber der Befehl. Sie sollten von dem Berg, über das Krankenhausgelände in den Rücken der jordanischen Legion vor dem Tempelberg fallen.
"Schau her, wir sind mit dem Jeep auf das Gelände gefahren, und sahen einen jordanischen Soldaten. Er hob seine Arme in die Luft, und wir senkten unsere Waffen. In diesem Moment sprang er zur Seite, und hinter ihm stand ein anderer Soldat, mit seiner Waffe auf uns gerichtet." Mein Papa schaute mich mit einem eindringlichen Blick an. "Ich war schneller, Ofer, und habe hier zum ersten Mal einen Mann getötet. Vergiss es nie."
Und jetzt studiere ich hier, es ist alles friedlich, das Krankenhaus ist immer noch umgeben von schönen Pinienbäumen. Schöne, junge israelische und arabische Studentinnen sitzen in den Schatten dieser Bäume und lernen mit mir über Marx und über deutsche Poesie nach 1945. Das ist Jerusalem, meine Freunde, so sieht mein Leben hier jetzt aus.
Ich drück Euch,
Ofer
Der Bus steigt mühsam den Berg hoch, und überquert die gefühlte, aber nicht gesehene Grenze zwischen dem neuen, jüdisch-israelischen Jerusalem und dem alten, orientalischen-arabischen Jerusalem. Meine Uni liegt wie gesagt auf dem Mount Scoupus. Dieser Berg war eine israelische Insel in einem arabischen Meer bevor Israel im Sechs-Tage Krieg Ostjerusalem erobert (oh, Verzeihung, befreit) hat. Vor den Toren der Uni ist der "Jerusalem War Cemetery", der britische Kriegsfriedhof. Hier liegen Soldaten die fern der Heimat im ersten Weltkrieg gegen die Türken gekämpft haben und ihr Leben auf die schon mit genügend Blut getränkte Erde Jerusalems gelassen haben. Hier hat auch mein Vater gekämpft – im Augusta-Victoria Krankenhaus. Ja ja, meine lieben deutschen Freunde, auch Eure Herrscher haben Ihre Liebe zur heiligen Stadt gezeigt, unter anderem mit diesem Krankenhaus, nach der Preußenkaiserin genannt.
Als ich 18 war, kurz bevor ich zur Armee ging, brachte mich mein Vater hierher. Der Anblick ist atemberaubend – von dem Park vor dem Krankenhaus sieht man die gesamte Altstadt, mit der Grabeskirche und dem goldenen Al Aksa Moschee. Gen Osten liegt die jüdäische Wüste, zärtliche runde Stein – und Sandhügel, und an einem guten Tag kann man das jordanische Königsreich sehen, Jenseits des toten Meeres. Romantisch, oder?
"Schau her, Ofer," sagte mein Papa. "In Juni 67´ stand hier ein Lager der jordanischen Legion. Wir haben die ganze Zeit auf dem Mount Scoupus gewartet, und zugesehen wie die jordanische Artillerie Westjerusalem bombardiert. Ich wusste dass Deine Mutter dort sitzt, und ich versuchte zu schauen, ob die Bomben dort auch antreffen, wo wir gewohnt haben. Wir warteten und warteten auf den Befehl, im Radio haben wir gehört dass unsere Armee die Sinai Halbinsel erobert hat, und wir fragten uns – wann kommt Jerusalem? Wann bekommen wir den Befehl?"
Mein Papa ist kein Kriegsheld. Er kämpfte nicht mit dem Messer zwischen den Zähnen, er hat sich auf den Krieg nicht gefreut. Er wusste aber, dass er die letzte Linie ist zwischen den Arabischen Armeen und meiner Mutter, die damals noch nicht wusste dass sie im ersten Monat schwanger war mit meiner Schwester. Dann kam aber der Befehl. Sie sollten von dem Berg, über das Krankenhausgelände in den Rücken der jordanischen Legion vor dem Tempelberg fallen.
"Schau her, wir sind mit dem Jeep auf das Gelände gefahren, und sahen einen jordanischen Soldaten. Er hob seine Arme in die Luft, und wir senkten unsere Waffen. In diesem Moment sprang er zur Seite, und hinter ihm stand ein anderer Soldat, mit seiner Waffe auf uns gerichtet." Mein Papa schaute mich mit einem eindringlichen Blick an. "Ich war schneller, Ofer, und habe hier zum ersten Mal einen Mann getötet. Vergiss es nie."
Und jetzt studiere ich hier, es ist alles friedlich, das Krankenhaus ist immer noch umgeben von schönen Pinienbäumen. Schöne, junge israelische und arabische Studentinnen sitzen in den Schatten dieser Bäume und lernen mit mir über Marx und über deutsche Poesie nach 1945. Das ist Jerusalem, meine Freunde, so sieht mein Leben hier jetzt aus.
Ich drück Euch,
Ofer
Freitag, 16. Oktober 2009
Israelisches Tagebuch 7
Was für einen Tag. Am Mittwoch bin ich in das Asia-Haus gegangen, Sitz des Goethe-Instituts in Israel. Jeder, der irgendwie mit Deutschland verbunden ist war da. Der Deutsche Botschafter, Herr Dr. Kindermann, die Leiter aller deutschen Stiftungen die in Israel ansässig sind, die Mitarbeiter von "Aktion Sühnezeichen" und von der Stiftung "Verantwortung, Erinnerung, Zukunft", Journalisten der "Bild", der "Zeit" und vom ARD-Jerusalemstudio, und viele Israelis wie ich die Sehnsucht nach Deutschland haben. Für einen Tag konnte man im Asia-Haus nur reinstes Deutsch hören, man redete leise und höflich, und das Café bot uns Kaffee und Kuchen in bester Oma Tradition.
Die Diskussionen waren spannend, wie zum Beispiel die Analyse der letzten Bundestagswahl und deren Auswirkung auf Israel und Iran, oder die Auswertung von Jugendaustauschprojekten zwischen beiden Ländern. Aber wie immer bei solchen Angelegenheiten war das spannendste die Diskussionen außerhalb der Konferenzräume. Und so habe ich Kontakte geknüpft mit den Leitern des Goethe-Instituts und der IDG (Israelisch-Deutsche Gesellschaft). Nach der letzten Diskussion waren wir alle in die Residenz des deutschen Botschafters eingeladen zum festlichen Empfang, anlässig des Tages der Deutschen Einheit. Alle waren da – Botschafter, Militärattachés, fein gekleidete Damen und Herren die die von deutschen Steuergeldern finanzierten Häppchen und Bier genossen. Ich beschränkte mich auf das Bier – frisch aus dem Hahn, wie in Deutschland. Himmlich.
Als ich keine Lust mehr hatte an diesem Theaterspiel teilzunehmen, zog ich mich mit einem Glas Bier in eine distanzierte Ecke des Rasens. Es stand dort ein Mann den ich um Feuer bat. Er war in meinem Alter, hatte dunkele Haut und markanten Gesichtszügen die seiner Herkunft preisgaben – Ägypten. Wir haben uns in ein Gespräch verwickelt, das für mich das spannendste am ganzen Tag war. Wie oft kriegt man die Gelegenheit dazu, mit einem offiziellen Vertreter eines arabischen Landes bei Zigarette und Bier zu quatschen?
Später hat mich der nette Mann (es ist wohl für ihn besser, ich lasse seinen Namen unerwähnt bleiben) nach Hause gebracht, da wir Nachbarn sind. Es war ein Erlebnis, durch Tel Aviv mit diplomatischem Kennzeichen zu rasen. Und jetzt habe ich einen ägyptischen Freund, und eine Menge Kontakte zu den deutschen Vertretern in diesem Land. Also war das ein erfolgreicher Tag!
Zum Schluss will ich eins sagen – unsere Wohnung ist fast fertig gerichtet, und hat viel, viel Platz. Das hat eins zu bedeuten – Ihr seid alle hierher eingeladen!
Grüße aus dem heiligen Land,
Euer Ofer
Die Diskussionen waren spannend, wie zum Beispiel die Analyse der letzten Bundestagswahl und deren Auswirkung auf Israel und Iran, oder die Auswertung von Jugendaustauschprojekten zwischen beiden Ländern. Aber wie immer bei solchen Angelegenheiten war das spannendste die Diskussionen außerhalb der Konferenzräume. Und so habe ich Kontakte geknüpft mit den Leitern des Goethe-Instituts und der IDG (Israelisch-Deutsche Gesellschaft). Nach der letzten Diskussion waren wir alle in die Residenz des deutschen Botschafters eingeladen zum festlichen Empfang, anlässig des Tages der Deutschen Einheit. Alle waren da – Botschafter, Militärattachés, fein gekleidete Damen und Herren die die von deutschen Steuergeldern finanzierten Häppchen und Bier genossen. Ich beschränkte mich auf das Bier – frisch aus dem Hahn, wie in Deutschland. Himmlich.
Als ich keine Lust mehr hatte an diesem Theaterspiel teilzunehmen, zog ich mich mit einem Glas Bier in eine distanzierte Ecke des Rasens. Es stand dort ein Mann den ich um Feuer bat. Er war in meinem Alter, hatte dunkele Haut und markanten Gesichtszügen die seiner Herkunft preisgaben – Ägypten. Wir haben uns in ein Gespräch verwickelt, das für mich das spannendste am ganzen Tag war. Wie oft kriegt man die Gelegenheit dazu, mit einem offiziellen Vertreter eines arabischen Landes bei Zigarette und Bier zu quatschen?
Später hat mich der nette Mann (es ist wohl für ihn besser, ich lasse seinen Namen unerwähnt bleiben) nach Hause gebracht, da wir Nachbarn sind. Es war ein Erlebnis, durch Tel Aviv mit diplomatischem Kennzeichen zu rasen. Und jetzt habe ich einen ägyptischen Freund, und eine Menge Kontakte zu den deutschen Vertretern in diesem Land. Also war das ein erfolgreicher Tag!
Zum Schluss will ich eins sagen – unsere Wohnung ist fast fertig gerichtet, und hat viel, viel Platz. Das hat eins zu bedeuten – Ihr seid alle hierher eingeladen!
Grüße aus dem heiligen Land,
Euer Ofer
Dienstag, 13. Oktober 2009
Israelisches Tagebuch 6
Israelisches Tagebuch 6
"Misrad Hapnim" – Innenministerium – war mein Ziel heute Morgen. Ich musste meinen Ausweis auf den neusten Stand bringen, spricht dem Ministerium mitzuteilen dass ich verheiratet bin, und in Tel Aviv wohne.
Das Ministerium haust in einem neuen Hochhaus im Osten Tel Avivs. Pünktlich um 8 stand ich vor dem ersten Metaldetektor, zehn Minuten später vor dem zweiten. In einer Ecke des Wartesaals stand eine Gruppe Schwarzafrikaner – Israel, wenn man zu Fuß von Afrika in die westliche Welt läuft, ist das erste Ziel. Ein Ministeriummann mit einer kleinen "Kippa" (Keppi) suchte jemand der übersetzen kann, wurde dann fündig bei einem kleinen runden älteren Mann aus dem Sudan. Der Sudanäser trug ein Hemd von einem israelischen Sicherheitsdienst, und lächelte die ganze Zeit mit strahlend weißen Zähnen. Den Mitarbeiter des Ministerium hatte es wenig beeindruckt, und er befahl die Gruppe ihre Ausweise von der UNRA (Uno-Flüchtlingsorganisation) vorzubereiten.
Die junge Dame die mich am Schalter empfing sagte, im Computer steht schon dass ich verheiratet bin, "das hat uns das Hauptrabbineramt in Jerusalem mitgeteilt." Tja. Gott ist nun mal allgegenwärtig in Israel. Ich habe ihr meine neue Adresse vorgelesen, und sie schickte mich zum anderen Schalter um den neuen Ausweis zu bekommen. Vor diesem Schalter stand ein junger, offensichtlich schwuler Mann der seinen frischgedrückten Ausweis anschaute. (Ich muss hier eine kurze Erklärung geben – in Israel stand auf dem Ausweis bis vor kurzem "Nationalität – Jude", "Araber", oder "Ungewiss". Es half meinem fortgeschrittenen Staat dabei, einige von seinen Staatsbürger fortschrittlich zu diskriminieren). Der junge Mann fragte die Dame am Schalter – "Es steht hier nicht mehr "Jude" in meinem Ausweis. Was hat es zu bedeuten?" "Nichts," sagte die Dame. "Wir wissen schon dass Du einer bist". Allein die Übersetzung dieses Satzes auf Deutsch ist krass.
Ansonsten geht es mir gut, ich hatte gestern einen ersten unspektakulären Dienst, die Kollegen sind nett und mein Gehalt ist auf dem Boden des toten Meers, aber das macht nichts. Ich mach´s für die Kunst!
Morgen gibt es ein Treffen im Goethe Institut, "Deutsch-Israelisches Networking Forum 2009", also sehen und gesehen werden. Ich werde es einfach genießen, wieder ein wenig Deutsch zu hören.
Gute Nacht aus dem heiligen Land,
Ofer
"Misrad Hapnim" – Innenministerium – war mein Ziel heute Morgen. Ich musste meinen Ausweis auf den neusten Stand bringen, spricht dem Ministerium mitzuteilen dass ich verheiratet bin, und in Tel Aviv wohne.
Das Ministerium haust in einem neuen Hochhaus im Osten Tel Avivs. Pünktlich um 8 stand ich vor dem ersten Metaldetektor, zehn Minuten später vor dem zweiten. In einer Ecke des Wartesaals stand eine Gruppe Schwarzafrikaner – Israel, wenn man zu Fuß von Afrika in die westliche Welt läuft, ist das erste Ziel. Ein Ministeriummann mit einer kleinen "Kippa" (Keppi) suchte jemand der übersetzen kann, wurde dann fündig bei einem kleinen runden älteren Mann aus dem Sudan. Der Sudanäser trug ein Hemd von einem israelischen Sicherheitsdienst, und lächelte die ganze Zeit mit strahlend weißen Zähnen. Den Mitarbeiter des Ministerium hatte es wenig beeindruckt, und er befahl die Gruppe ihre Ausweise von der UNRA (Uno-Flüchtlingsorganisation) vorzubereiten.
Die junge Dame die mich am Schalter empfing sagte, im Computer steht schon dass ich verheiratet bin, "das hat uns das Hauptrabbineramt in Jerusalem mitgeteilt." Tja. Gott ist nun mal allgegenwärtig in Israel. Ich habe ihr meine neue Adresse vorgelesen, und sie schickte mich zum anderen Schalter um den neuen Ausweis zu bekommen. Vor diesem Schalter stand ein junger, offensichtlich schwuler Mann der seinen frischgedrückten Ausweis anschaute. (Ich muss hier eine kurze Erklärung geben – in Israel stand auf dem Ausweis bis vor kurzem "Nationalität – Jude", "Araber", oder "Ungewiss". Es half meinem fortgeschrittenen Staat dabei, einige von seinen Staatsbürger fortschrittlich zu diskriminieren). Der junge Mann fragte die Dame am Schalter – "Es steht hier nicht mehr "Jude" in meinem Ausweis. Was hat es zu bedeuten?" "Nichts," sagte die Dame. "Wir wissen schon dass Du einer bist". Allein die Übersetzung dieses Satzes auf Deutsch ist krass.
Ansonsten geht es mir gut, ich hatte gestern einen ersten unspektakulären Dienst, die Kollegen sind nett und mein Gehalt ist auf dem Boden des toten Meers, aber das macht nichts. Ich mach´s für die Kunst!
Morgen gibt es ein Treffen im Goethe Institut, "Deutsch-Israelisches Networking Forum 2009", also sehen und gesehen werden. Ich werde es einfach genießen, wieder ein wenig Deutsch zu hören.
Gute Nacht aus dem heiligen Land,
Ofer
Samstag, 10. Oktober 2009
Israelisches Tagebuch5
Israelisches Tagebuch – Zwischenmeldung
Ich beschreibe Euch meinen Alltag, die Momente die Israel für mich ausmachen, die ersten Schritte die ich gehe um meinem Leben hier Gestalt und Form zu geben. Heute Morgen kam eine Email aus Deutschland, in der stand – es klingt wie Urlaub, es klingt so verlockend und schön, als ob das traurige, das schwere, komplett entfällt.
Man kann sich an Tagebücher erinnern die ein Kind aus dem Sommerlager der Pfadfinder schreibt. "Heute haben wir das gemacht, morgen machen wir dies, wir haben so und so viel Stunden Zelte gebaut, und sind so und so viel Stunden durch den Wald marschiert bis wir an einen See kamen." Idylle, die für die Ohren der besorgten Eltern gedacht ist. Da fehlen die langen Stunden in der Nacht, in denen die Gedanken und die Sehnsucht nach Daheim zu stark werden, die Momente wo die Grenze zwischen dem jetzt und dem bekannten so unpassierbar erscheint, dass man die eine Welt als Märchenwelt bezeichnet, die andere dann in eine Box tut um sie für sich zu behalten, zu beschützen.
Ich kann es mir hier nicht leisten, nach hinten zu schauen, bei dem Anblick von der Disengoffstrasse in Tel Aviv an Unter den Linden zu denken, beim Spaziergang durch den Massarikplatz mich an meinen geliebten Helmholtzplatz zu erinnern. Ich bin ehr der Helmholtzplatz, ich bin Prenzlauerberg, ich bin Döner und feines fränkisches Bier und gutes deutsches Brot, ich bin nicht Falafel und Strand und Menschen die nicht fahren können, ich bin nicht Israel. Aber ich muss mit beiden Füßen auf dem Boden stehen, auf diesem Boden hier, mit dem Blick nach vorne – ansonsten wird die erste Welle der Sehnsucht, der Traurigkeit mich wegspülen. Und das kann ich mir nicht leisten.
Wie bekennt man Farbe, wie zeigt man seine Treue für einen Ort, für einen Menschen, für ein Land? Ich kann mich an einen Moment erinnern. Es war 2006, im Frühjahr. Ich habe gerade meine Stelle beim RSB in Berlin verloren, meine damalige Freundin hat mich aus dem Fenster geschmissen, und ich habe meine Diplomprüfung erfolgreich bestanden. Nach einer kurzen Aufenthalt in Israel bin ich zurück nach Berlin geflogen, und wie der Flieger langsam Richtung Flughafen Schönefeld sank und der Berliner Skyline sich aus dem Fenster zeigte, dachte ich mir – ich habe hier keine Frau die mich erwartet, kein Studium, keine Arbeit, und doch ist es mir klar – hier will ich hin, hier bin ich zuhause. Das war der Moment in dem ich Berlin sagte – Schau, alle offiziellen Gründe die ich hatte sind entfallen und doch komme ich zurück zu Dir. Das ist Treue, das ist Liebe, das war der Moment in dem Berlin endgültig zu meiner Heimat wurde. Ich warte noch an einen solchen Moment mit Israel, es dauert aber Jahre, vielleicht wird er auch nie kommen, und es bleibt so einfach wie auch grausam – ich bin im Exil in meinem Vaterland, meine Heimat ist aber Berlin.
Ich drücke Euch,
Euer Ofer
Ich beschreibe Euch meinen Alltag, die Momente die Israel für mich ausmachen, die ersten Schritte die ich gehe um meinem Leben hier Gestalt und Form zu geben. Heute Morgen kam eine Email aus Deutschland, in der stand – es klingt wie Urlaub, es klingt so verlockend und schön, als ob das traurige, das schwere, komplett entfällt.
Man kann sich an Tagebücher erinnern die ein Kind aus dem Sommerlager der Pfadfinder schreibt. "Heute haben wir das gemacht, morgen machen wir dies, wir haben so und so viel Stunden Zelte gebaut, und sind so und so viel Stunden durch den Wald marschiert bis wir an einen See kamen." Idylle, die für die Ohren der besorgten Eltern gedacht ist. Da fehlen die langen Stunden in der Nacht, in denen die Gedanken und die Sehnsucht nach Daheim zu stark werden, die Momente wo die Grenze zwischen dem jetzt und dem bekannten so unpassierbar erscheint, dass man die eine Welt als Märchenwelt bezeichnet, die andere dann in eine Box tut um sie für sich zu behalten, zu beschützen.
Ich kann es mir hier nicht leisten, nach hinten zu schauen, bei dem Anblick von der Disengoffstrasse in Tel Aviv an Unter den Linden zu denken, beim Spaziergang durch den Massarikplatz mich an meinen geliebten Helmholtzplatz zu erinnern. Ich bin ehr der Helmholtzplatz, ich bin Prenzlauerberg, ich bin Döner und feines fränkisches Bier und gutes deutsches Brot, ich bin nicht Falafel und Strand und Menschen die nicht fahren können, ich bin nicht Israel. Aber ich muss mit beiden Füßen auf dem Boden stehen, auf diesem Boden hier, mit dem Blick nach vorne – ansonsten wird die erste Welle der Sehnsucht, der Traurigkeit mich wegspülen. Und das kann ich mir nicht leisten.
Wie bekennt man Farbe, wie zeigt man seine Treue für einen Ort, für einen Menschen, für ein Land? Ich kann mich an einen Moment erinnern. Es war 2006, im Frühjahr. Ich habe gerade meine Stelle beim RSB in Berlin verloren, meine damalige Freundin hat mich aus dem Fenster geschmissen, und ich habe meine Diplomprüfung erfolgreich bestanden. Nach einer kurzen Aufenthalt in Israel bin ich zurück nach Berlin geflogen, und wie der Flieger langsam Richtung Flughafen Schönefeld sank und der Berliner Skyline sich aus dem Fenster zeigte, dachte ich mir – ich habe hier keine Frau die mich erwartet, kein Studium, keine Arbeit, und doch ist es mir klar – hier will ich hin, hier bin ich zuhause. Das war der Moment in dem ich Berlin sagte – Schau, alle offiziellen Gründe die ich hatte sind entfallen und doch komme ich zurück zu Dir. Das ist Treue, das ist Liebe, das war der Moment in dem Berlin endgültig zu meiner Heimat wurde. Ich warte noch an einen solchen Moment mit Israel, es dauert aber Jahre, vielleicht wird er auch nie kommen, und es bleibt so einfach wie auch grausam – ich bin im Exil in meinem Vaterland, meine Heimat ist aber Berlin.
Ich drücke Euch,
Euer Ofer
Israelisches Tagebuch4
Ich gebe zu, Eure Reaktionen auf meine Emails bringen mich dazu fast jeden Tag diesen Moment zu suchen, in dem ich der deutschen Hälfte meiner Seele die Oberhand gebe, sodass sie mit deutschen Augen meine Alt-neue Heimat sieht und beschreibt. Und ich danke Euch dafür.
Es ist Freitagabend – hier in Israel heißt das Schabbat-Abend, da der jüdische Tag schon am Vorabend beginnt, wenn drei Sterne im Himmel zu sehen sind. Wir sind aus dem feuchten warmen Tel Aviv gen Norden geflüchtet, und verbringen das Wochenende bei Gilis Familie im Galiläa.
Heute morgen waren wir am Strand – Sonne, Sand, junge Damen mit wenig Stoff auf ihrer Haut und junge Männer, braun gebrannt und muskulös, laute Musik und schlechtes israelisches Bier. Meine Freunde die auch dabei waren haben mich ausgelacht, sie sagten mir, sie wussten nicht dass man so weiß werden kann. Langsam kriege ich aber meine alte israelische Farbe, ich bin ja viel auf unserem Balkon.
Jetzt aber sitze ich draußen in "Alone Aba", wo Gilis Eltern ein Haus gebaut haben, von der Ferne hört man Schüsse aus den nahe liegenden arabischen Dörfern (kein Krieg – so zeigen sie ihre Freude, es wurde anscheinend eine Hochzeit gefeiert), wenn man einen kleinen Spaziergang machen würde wären die Lichter von Nazaret das einzige, was man sehen würde. Für Euch sind es Namen aus der Bibel, für mich sind es jetzt Namen die man im Radio hört beim Staubericht – "Zwischen Jerusalem und Betlehem ist Stau, bitte benutzen sie die Strasse über Jericho". Lustig, oder?
Vorher kam ein Anruf von der Oper, sie brauchen mich schon nächste Woche, gespielt wird die Ouverture zu der Oper "Der Freischütz", Mozarts Violinkonzert in D Dur und noch irgendwas. Ich kann es mir nur schwer vorstellen, auf Hebräisch zu proben, der Dienst heißt hier "Peula" und es gibt keinen TVK (für die Nichtmusiker unter Euch, TVK ist der Tarifvertrag der Deutschen Kulturorchester) und keine DOV (Deutsche Orchestervereinigung, also unsere Gewerkschaft).
Als ich heute meine Stereoanlage aufgebaut habe, entdeckte ich eine CD im CD-Player. Ich habe auf "Play" gedrückt, und unsere schöne, ruhige Tel Aviver Wohnung war plötzlich voll mit der Stimme Marlene Dietrichs, mit ihrem Lied "Ich hab noch einen Koffer in Berlin". Oh je.
Gute Nacht aus Jesuss Nachbarschaft,
Euer Ofer
Es ist Freitagabend – hier in Israel heißt das Schabbat-Abend, da der jüdische Tag schon am Vorabend beginnt, wenn drei Sterne im Himmel zu sehen sind. Wir sind aus dem feuchten warmen Tel Aviv gen Norden geflüchtet, und verbringen das Wochenende bei Gilis Familie im Galiläa.
Heute morgen waren wir am Strand – Sonne, Sand, junge Damen mit wenig Stoff auf ihrer Haut und junge Männer, braun gebrannt und muskulös, laute Musik und schlechtes israelisches Bier. Meine Freunde die auch dabei waren haben mich ausgelacht, sie sagten mir, sie wussten nicht dass man so weiß werden kann. Langsam kriege ich aber meine alte israelische Farbe, ich bin ja viel auf unserem Balkon.
Jetzt aber sitze ich draußen in "Alone Aba", wo Gilis Eltern ein Haus gebaut haben, von der Ferne hört man Schüsse aus den nahe liegenden arabischen Dörfern (kein Krieg – so zeigen sie ihre Freude, es wurde anscheinend eine Hochzeit gefeiert), wenn man einen kleinen Spaziergang machen würde wären die Lichter von Nazaret das einzige, was man sehen würde. Für Euch sind es Namen aus der Bibel, für mich sind es jetzt Namen die man im Radio hört beim Staubericht – "Zwischen Jerusalem und Betlehem ist Stau, bitte benutzen sie die Strasse über Jericho". Lustig, oder?
Vorher kam ein Anruf von der Oper, sie brauchen mich schon nächste Woche, gespielt wird die Ouverture zu der Oper "Der Freischütz", Mozarts Violinkonzert in D Dur und noch irgendwas. Ich kann es mir nur schwer vorstellen, auf Hebräisch zu proben, der Dienst heißt hier "Peula" und es gibt keinen TVK (für die Nichtmusiker unter Euch, TVK ist der Tarifvertrag der Deutschen Kulturorchester) und keine DOV (Deutsche Orchestervereinigung, also unsere Gewerkschaft).
Als ich heute meine Stereoanlage aufgebaut habe, entdeckte ich eine CD im CD-Player. Ich habe auf "Play" gedrückt, und unsere schöne, ruhige Tel Aviver Wohnung war plötzlich voll mit der Stimme Marlene Dietrichs, mit ihrem Lied "Ich hab noch einen Koffer in Berlin". Oh je.
Gute Nacht aus Jesuss Nachbarschaft,
Euer Ofer
Israelisches Tagebuch3
Am Sonntag hatte ich endlich meine lang ersehnte Ruhe. Ich habe mich auch irgendwie von der Klimaanlage erkältet, also habe ich nichts anderes gemacht als fernsehen und rumgammeln. Montag war es allerdings mit der Ruhe vorbei.
In der Früh habe ich den Bus zum Hauptbusbahnhof Jerusalems genommen, um nach Tel Aviv zu fahren. Meine Freunde, Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen welche Welten zwischen meinen beiden Heimaten – Berlin und Jerusalem – liegen. Es ist wie gesagt Laubhüttenfest, eins der drei Feste in denen man nach Jerusalem pilgern soll. Dieser Brauch entstand als der Tempel noch da war, mitten im Königreich Davids. Der Bus, den ich genommen habe, war das einzige was aus dem 21 Jahrhundert stammte. Ansonsten kam es mir so vor, als ob sich Afganistan, Polen des 19 Jahrhunderts und Afrika sich hier vermischt haben. Juden mit ihrer vollen Tracht aus langen Mänteln und Fellmützen, Araberinnen die zum Markt gingen mit gigantischen Säcken auf dem Kopf, und andere Menschen die aus einem surealistischen Märchen stammten strömen durch die Strassen dieser Stadt.
In Tel Aviv war die Moderne wieder da. Gili holte mich ab von Bahnhof, und wir sind kurz zum Falafelstand gegangen und dann zum Rechtsanwalt um den Mietvertrag zu unterschreiben. Die Wohnung – wie das ganze Haus – wurde von einer Deutsch-Jüdischen Familie gebaut. Und so fand ich mich in einem Zimmer mit fünf Greisen, die sich gegenseitig angeeckt haben – und zwar auf feinstem 30ger Deutsch. Als sie entdeckt haben dass ich auch Deutsch kann, war die Freude groß. Die Miete blieb aber sehr hoch. Zu diesem Preis könnte man in Berlin den Reichstag mieten und jeden Morgen Kaffe und Kuchen von Westerwelle serviert bekommen. Na gut.
Unsere Wohnung ist ein Traum – groß, mit einem Riesenbalkon, mit einem Arbeitzimmer für mich, und mit drei großen Bäumen vor allen Fenstern. Es gibt also Platz für Euch alle!
Nachdem wir die Wohnung bewundert haben, ging die Arbeit los – Zeug Schleppen. Das meiste war bei meiner Tante in einem kleinen Dorf westlich von Jerusalem, und so sind Gili und ich mehrmals hin – und zurück gefahren, voll beladen mit Matratzen, Sofas, Schränken und ähnliches. Meine Tante und mein Onkel sind ehmalige hochrangige Offiziere der Israelischen Armee die sich zur Ruhe gesetzt haben und Zimmer für Touristen vermieten. Sie haben ein kleines Haus in den Bergen Jerusalems, mitten im Jerusalemer Wald, und führen dort eine ruhige beschauliche Existenz. Wer meinen Onkel besucht muss damit rechnen, bei Kaffe und Kuchen lange Geschichten zu hören – er ist als Kind aus Thessaloniki geflohen, und hat im israelischen Unabhängigkeitskrieg mitgekämpft. Er verkörpert Israel – so wie ich Israel kenne und liebe, ohne Zynismus, ohne Überheblichkeit. Obwohl er nicht mehr der jüngste ist, hat er uns geholfen das ganze Zeug auf seinen alten Citroen zu bergen, während meine Tante, 1.50 Meter groß und voller Energie, uns mit hilfsvollen Ratschlägen bombardiert hat. Oft beendet sie ihre Sätze mit einem "Nicht wahr?" auf Deutsch mit starken Wiener Dialekt, so wie sie es von ihren Eltern kannte.
Zurück in Tel Aviv bin ich in eine politische Diskussion geraten mit zwei von Gilis Freunden. Ich habe ausnahmeweise nichts gesagt – das was ich doch gesagt habe, dass man seine Denkweise in diesem Land ändern sollte, konterten sie sofort mit "Du bist wie die Europäer, die keine Ahnung haben". Ich glaube, ich werde mich erstmal aus solchen Diskussionen fernhalten.
Jetzt ist Gili zurück von Einkaufen, ich habe ihr beim Schleppen geholfen, und während ich die Treppen hoch und runter ging hörte ich aus der Wohnung im Erdgeschoss zwei Geigen, die mit einem Klavier ein Bach Duo übten. Hallo Deutschland, hallo Israel, und bis zum nächsten Mal –
Liebste Grüße,
Euer Ofer
In der Früh habe ich den Bus zum Hauptbusbahnhof Jerusalems genommen, um nach Tel Aviv zu fahren. Meine Freunde, Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen welche Welten zwischen meinen beiden Heimaten – Berlin und Jerusalem – liegen. Es ist wie gesagt Laubhüttenfest, eins der drei Feste in denen man nach Jerusalem pilgern soll. Dieser Brauch entstand als der Tempel noch da war, mitten im Königreich Davids. Der Bus, den ich genommen habe, war das einzige was aus dem 21 Jahrhundert stammte. Ansonsten kam es mir so vor, als ob sich Afganistan, Polen des 19 Jahrhunderts und Afrika sich hier vermischt haben. Juden mit ihrer vollen Tracht aus langen Mänteln und Fellmützen, Araberinnen die zum Markt gingen mit gigantischen Säcken auf dem Kopf, und andere Menschen die aus einem surealistischen Märchen stammten strömen durch die Strassen dieser Stadt.
In Tel Aviv war die Moderne wieder da. Gili holte mich ab von Bahnhof, und wir sind kurz zum Falafelstand gegangen und dann zum Rechtsanwalt um den Mietvertrag zu unterschreiben. Die Wohnung – wie das ganze Haus – wurde von einer Deutsch-Jüdischen Familie gebaut. Und so fand ich mich in einem Zimmer mit fünf Greisen, die sich gegenseitig angeeckt haben – und zwar auf feinstem 30ger Deutsch. Als sie entdeckt haben dass ich auch Deutsch kann, war die Freude groß. Die Miete blieb aber sehr hoch. Zu diesem Preis könnte man in Berlin den Reichstag mieten und jeden Morgen Kaffe und Kuchen von Westerwelle serviert bekommen. Na gut.
Unsere Wohnung ist ein Traum – groß, mit einem Riesenbalkon, mit einem Arbeitzimmer für mich, und mit drei großen Bäumen vor allen Fenstern. Es gibt also Platz für Euch alle!
Nachdem wir die Wohnung bewundert haben, ging die Arbeit los – Zeug Schleppen. Das meiste war bei meiner Tante in einem kleinen Dorf westlich von Jerusalem, und so sind Gili und ich mehrmals hin – und zurück gefahren, voll beladen mit Matratzen, Sofas, Schränken und ähnliches. Meine Tante und mein Onkel sind ehmalige hochrangige Offiziere der Israelischen Armee die sich zur Ruhe gesetzt haben und Zimmer für Touristen vermieten. Sie haben ein kleines Haus in den Bergen Jerusalems, mitten im Jerusalemer Wald, und führen dort eine ruhige beschauliche Existenz. Wer meinen Onkel besucht muss damit rechnen, bei Kaffe und Kuchen lange Geschichten zu hören – er ist als Kind aus Thessaloniki geflohen, und hat im israelischen Unabhängigkeitskrieg mitgekämpft. Er verkörpert Israel – so wie ich Israel kenne und liebe, ohne Zynismus, ohne Überheblichkeit. Obwohl er nicht mehr der jüngste ist, hat er uns geholfen das ganze Zeug auf seinen alten Citroen zu bergen, während meine Tante, 1.50 Meter groß und voller Energie, uns mit hilfsvollen Ratschlägen bombardiert hat. Oft beendet sie ihre Sätze mit einem "Nicht wahr?" auf Deutsch mit starken Wiener Dialekt, so wie sie es von ihren Eltern kannte.
Zurück in Tel Aviv bin ich in eine politische Diskussion geraten mit zwei von Gilis Freunden. Ich habe ausnahmeweise nichts gesagt – das was ich doch gesagt habe, dass man seine Denkweise in diesem Land ändern sollte, konterten sie sofort mit "Du bist wie die Europäer, die keine Ahnung haben". Ich glaube, ich werde mich erstmal aus solchen Diskussionen fernhalten.
Jetzt ist Gili zurück von Einkaufen, ich habe ihr beim Schleppen geholfen, und während ich die Treppen hoch und runter ging hörte ich aus der Wohnung im Erdgeschoss zwei Geigen, die mit einem Klavier ein Bach Duo übten. Hallo Deutschland, hallo Israel, und bis zum nächsten Mal –
Liebste Grüße,
Euer Ofer
Israelisches Tagebuch2
Der Abend gestern war ganz schön anstrengend, meine Familie war irgendwie gelähmt und hat sich nicht getraut, mich über Berlin oder den Umzug zu fragen. Und so haben wir das Spiel von Hapoel Tel Aviv gegen den HSV aus Hamburg im Uefa-Cup analysiert. Spannend. Das Spiel ging übrigens 4-2 für Hamburg aus.
Heute wollten meine Geschwister mich an die atemberaubende israelische Natur erinnern, also sind wir mit drei Autos in die Jerusalemer Berge gefahren. Wir haben eine kleine Wasserquelle gefunden, und haben uns daneben unter eine große israelische Eiche gesetzt. Um uns war der Jerusalemer Wald zu sehen, und ich habe mich daran erinnert dass ich erst heute Morgen meiner Mutter die Bilder aus dem Kimsee vom letzten Februar gezeigt habe. Der Jerusalemer Wald ist das Resultat des israelischen Wahnsinns aus den 20gern und 30gern, als die Juden aus Europa Pinien gepflanzt haben um den Wiener Wald, den Schwarzwald oder sogar den Grünewald mit nach Palästina zu importieren. Das Grün der Pflanzen hier ist aber ein anderes als in Deutschland, es ist zäh, als ob es der Hitze (es sind heute knappe 30 Grad) und dem Staub trotzen will, was ihm nur mühsam gelingt. Der Duft ist aber wirklich anderes als in Berlin – überall wachsen hier Rosmarinpflanzen, und ich müsste heute zum x-Mal die Olivenüberreste von den Sohlen meiner Birkenstockschuhe abkratzen.
Es ist hier Laubhüttenfest jetzt, und überall auf den Strassen und in den Gärten Jerusalems sind kleine Strohhütte zu sehen, geschmückt mit den Biblischen Pflanzen – Granate, Palme, und einige Dinger deren Namen ich auf Deutsch nicht kann. Es ist eigentlich schön, und weil es eine heilige Woche ist hat die Uni zu und ich bin gezwungen nichts zu machen. Naja, vielleicht ein wenig üben, aber da war´s. Gili kümmert sich um die neue Wohnung, deswegen müssen wir morgen nach Tel Aviv. Ich freue mich schon auf die Klimaanlage in unserer Wohnung – in jedem Zimmer gibt es eine. Gottseidank.
Ich drücke Euch alle ganz fest,
Euer Ofer
Heute wollten meine Geschwister mich an die atemberaubende israelische Natur erinnern, also sind wir mit drei Autos in die Jerusalemer Berge gefahren. Wir haben eine kleine Wasserquelle gefunden, und haben uns daneben unter eine große israelische Eiche gesetzt. Um uns war der Jerusalemer Wald zu sehen, und ich habe mich daran erinnert dass ich erst heute Morgen meiner Mutter die Bilder aus dem Kimsee vom letzten Februar gezeigt habe. Der Jerusalemer Wald ist das Resultat des israelischen Wahnsinns aus den 20gern und 30gern, als die Juden aus Europa Pinien gepflanzt haben um den Wiener Wald, den Schwarzwald oder sogar den Grünewald mit nach Palästina zu importieren. Das Grün der Pflanzen hier ist aber ein anderes als in Deutschland, es ist zäh, als ob es der Hitze (es sind heute knappe 30 Grad) und dem Staub trotzen will, was ihm nur mühsam gelingt. Der Duft ist aber wirklich anderes als in Berlin – überall wachsen hier Rosmarinpflanzen, und ich müsste heute zum x-Mal die Olivenüberreste von den Sohlen meiner Birkenstockschuhe abkratzen.
Es ist hier Laubhüttenfest jetzt, und überall auf den Strassen und in den Gärten Jerusalems sind kleine Strohhütte zu sehen, geschmückt mit den Biblischen Pflanzen – Granate, Palme, und einige Dinger deren Namen ich auf Deutsch nicht kann. Es ist eigentlich schön, und weil es eine heilige Woche ist hat die Uni zu und ich bin gezwungen nichts zu machen. Naja, vielleicht ein wenig üben, aber da war´s. Gili kümmert sich um die neue Wohnung, deswegen müssen wir morgen nach Tel Aviv. Ich freue mich schon auf die Klimaanlage in unserer Wohnung – in jedem Zimmer gibt es eine. Gottseidank.
Ich drücke Euch alle ganz fest,
Euer Ofer
Israelisches Tagebuch1
Jerusalem, Freitag den 2.10.09
Unglaublich – ich bin hier. Florian hat mich gestern früh durch das aufwachende Berlin zum Flieger nach Schönefeld gebracht, und als er gefahren ist fing es an zu regnen. Meine dramatische Art veranlasste mich dazu den Regen als die Tränen Berlins zu sehen, eine Art Abschiedsnahme. Ich stand vor dem Terminal für eine letzte Zigarette, nachdem ich meine (fünf!) Koffer abgegeben habe, und habe einen neuen AB-Spruch aufgenommen. "Hallo, hier ist der Anrufbeantworter von Ofer Waldman, ab Sofort bin ich in Israel…." Unglaublich. Und jetzt bin ich hier.
Vorher war ich mit meinen Neffen und Nichten Fußball spielen, im Süden Jerusalems. Die Luft ist hier wirklich süß, das Licht ist golden und es liegt eine himmlische Ruhe auf der Stadt. Es ist Freitagabend, die "Schabbat" kommt, und Jerusalem trennt sich für das Wochenende von der realen Welt. Man kann sich hier Deutschland nur schwer vorstellen, es duftet nach Feigen und in der Stille ertönen Glocken aus dem nahe liegenden Betlehem und aus der Jerusalemer Altstadt. Wo ist Berlin, wo ist Prenzlauer Berg, erst Vorgestern bin ich mit dem Motorrad zu Miriam nach Westberlin gefahren, durch Unter den Linden, durch den Tiergarten, mit nicht mehr aktuellen "Deutschland kann mehr" Plakaten der SPD, mit Bäumen deren Namen ich in 10 Jahren noch nicht gelernt habe.
Die Familie versammelt sich bei meinen Eltern, Gili hilft meiner Mutter die Schnitzeln für das Schabbat-Essen vorzubereiten, und ich habe eine Dusche genommen – es kommt hier kaum Wasser aus dem Hahn, kann man ja verstehen bei der Wasserknappheit, und bei mir werden Kindheitserinnerungen wach von Restseife die man mit der schwachen Wasserstrahl nie wegkriegt.
Noch fühlt es sich an wie in all den Besuchen, die ich hier erlebt habe. Und doch ist in meiner Tasche keine Flugkarte, nachhause, nach Deutschland. Ob man zwei "Zuhause" haben kann?
Die Besitzer der Wohnung, in die Gili und ich am Montag einziehen, kommen aus Deutschland. Sie haben das Haus, mitten in Tel Aviv, in den 30gern gebaut. Ich freue mich sie kennen zu lernen, und ein wenig Deutsch plaudern zu können. Vorher, auf dem Spielplatz, hat mein Neffe Yonatan den Ball auf eine Frau geworfen. Ich bin hingegangen, habe den Ball abgeholt, und sagte ihr – "Entschuldige bitte." Sie guckte mich verwirrt an – und ich sagte, mit einem kleinen Lächeln, "Sliha."
Liebe Grüße an alle in Deutschland,
Ofer
Unglaublich – ich bin hier. Florian hat mich gestern früh durch das aufwachende Berlin zum Flieger nach Schönefeld gebracht, und als er gefahren ist fing es an zu regnen. Meine dramatische Art veranlasste mich dazu den Regen als die Tränen Berlins zu sehen, eine Art Abschiedsnahme. Ich stand vor dem Terminal für eine letzte Zigarette, nachdem ich meine (fünf!) Koffer abgegeben habe, und habe einen neuen AB-Spruch aufgenommen. "Hallo, hier ist der Anrufbeantworter von Ofer Waldman, ab Sofort bin ich in Israel…." Unglaublich. Und jetzt bin ich hier.
Vorher war ich mit meinen Neffen und Nichten Fußball spielen, im Süden Jerusalems. Die Luft ist hier wirklich süß, das Licht ist golden und es liegt eine himmlische Ruhe auf der Stadt. Es ist Freitagabend, die "Schabbat" kommt, und Jerusalem trennt sich für das Wochenende von der realen Welt. Man kann sich hier Deutschland nur schwer vorstellen, es duftet nach Feigen und in der Stille ertönen Glocken aus dem nahe liegenden Betlehem und aus der Jerusalemer Altstadt. Wo ist Berlin, wo ist Prenzlauer Berg, erst Vorgestern bin ich mit dem Motorrad zu Miriam nach Westberlin gefahren, durch Unter den Linden, durch den Tiergarten, mit nicht mehr aktuellen "Deutschland kann mehr" Plakaten der SPD, mit Bäumen deren Namen ich in 10 Jahren noch nicht gelernt habe.
Die Familie versammelt sich bei meinen Eltern, Gili hilft meiner Mutter die Schnitzeln für das Schabbat-Essen vorzubereiten, und ich habe eine Dusche genommen – es kommt hier kaum Wasser aus dem Hahn, kann man ja verstehen bei der Wasserknappheit, und bei mir werden Kindheitserinnerungen wach von Restseife die man mit der schwachen Wasserstrahl nie wegkriegt.
Noch fühlt es sich an wie in all den Besuchen, die ich hier erlebt habe. Und doch ist in meiner Tasche keine Flugkarte, nachhause, nach Deutschland. Ob man zwei "Zuhause" haben kann?
Die Besitzer der Wohnung, in die Gili und ich am Montag einziehen, kommen aus Deutschland. Sie haben das Haus, mitten in Tel Aviv, in den 30gern gebaut. Ich freue mich sie kennen zu lernen, und ein wenig Deutsch plaudern zu können. Vorher, auf dem Spielplatz, hat mein Neffe Yonatan den Ball auf eine Frau geworfen. Ich bin hingegangen, habe den Ball abgeholt, und sagte ihr – "Entschuldige bitte." Sie guckte mich verwirrt an – und ich sagte, mit einem kleinen Lächeln, "Sliha."
Liebe Grüße an alle in Deutschland,
Ofer
Abonnieren
Posts (Atom)