Freitag früh war es soweit. Ich habe Gili um drei Uhr in der früh aus dem Bett geholt, sodass sie mich zum Flughafen bringt. Wir sind letztes Jahr so oft geflogen, sie hat ja in New York gelebt und ich in Deutschland, sodass wir uns an Flughäfen heimlich fühlen. Es tut uns beiden gut die großen Anzeigetafeln mit den ganzen Städtenamen zu sehen, das ewige Neon-Tagelicht zu genießen, es gibt uns das Gefühl, wir sind lebendig.
Wer mal schon in Israel am Flughafen war weiß wovon ich rede, wenn ich sage dass die Sicherheitskontrollen diesmal nicht so lang dauerten, also nur 45 Minuten. Die nette Dame mit dem müden Lächeln und dem Revolver in dem Gürtel fragte mich, wo ich wohne, und ich gebe zu – genauso wie vor zwei Monaten, als ich Deutschland verließ – ich habe ein wenig gestottert bevor ich geantwortet habe – Tel Aviv.
Die anderen Israelis in der Schlange vor dem Check-in waren, wie Israelis es so oft in Schlangen sind, unerträglich. "Ich habe nur eine Frage" sagte mir eine Frau, und raste mit drei riesigen Koffern zum Schalter. "Ich war schon vorher da, und musste nur kurz aufs Klo", sagte ein älterer Herr, und mit der Energie eines 16Jährigen überholte er mich und gab seinen Koffer an die Mitarbeiterin von "Israir". In dem Moment überwältigten mich die Müdigkeit, der Zorn und mein Verlangen nach einer Zigarette, und ich murmelte einige Fluchworte auf Deutsch, die (Gott sei Dank) keiner verstand. In dem Moment aber, als die Menschen um mich gehört haben, dass ich Deutsch rede, habe ich an Ansehen gewonnen und bekam endlich auch die Gelegenheit, meinen Koffer abzugeben und weiter zu gehen zum Duty-Free Bereich, wo ich wie immer eine Stange Zigaretten und ein Buch gekauft habe, um dann eine letzte Kippe zu rauchen und zum Einstiegstor zu gehen.
Ich hatte Angst, ich gebe es zu. Ich hatte Angst davor, nicht mehr sprechen zu können, mich nicht mehr als Teil dieser Stadt, dieses Landes zu fühlen, wie ein Tourist also. Am Flughafen Schönefeld ging alles sehr schnell, und plötzlich war ich draußen, in der Kälte, in Berlin. Jetzt kommt noch einmal ein sentimentaler Teil, bitte entschuldigt mich. Ich habe Freudetränen in den Augen gehabt. Und als ich in die S-Bahn gestiegen bin, nur um zu verstehen dass sie aufgrund von Störungen nicht dahin fährt, wo ich hin muss, habe ich es gespürt – ich bin zuhause.
Was soll ich noch schreiben? Ich habe schon Glühwein getrunken, und Maroni gegessen, ich fahre von Freunden zu Freunden auf meinem Motorrad das treu auf mich gewartet hat, ich spiele wieder mit meinen geliebten "Meschugeles" (wer uns nicht kennt – "Di Meschugeles" sind meine Klezmer-Balkan Musikgruppe), ich bin also, kurz gesagt, glücklich. Gestern, auf dem Weg von Prenzlauerberg nach Charlottenburg, wo ich jetzt wohne, musste ich auf eine Ampel warten, die ewig rot war. Ein Autofahrer, der gesehen hat wie sehr ich friere, ließ mich vorfahren – und ich dachte, ich bin im Himmel. In Israel würde so was nie passieren. Na ja, in Israel friert man aber auch nicht.
Frohen dritten Advent,
Euer Ofer
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