Israelisches Tagebuch – Zwischenmeldung
Ich beschreibe Euch meinen Alltag, die Momente die Israel für mich ausmachen, die ersten Schritte die ich gehe um meinem Leben hier Gestalt und Form zu geben. Heute Morgen kam eine Email aus Deutschland, in der stand – es klingt wie Urlaub, es klingt so verlockend und schön, als ob das traurige, das schwere, komplett entfällt.
Man kann sich an Tagebücher erinnern die ein Kind aus dem Sommerlager der Pfadfinder schreibt. "Heute haben wir das gemacht, morgen machen wir dies, wir haben so und so viel Stunden Zelte gebaut, und sind so und so viel Stunden durch den Wald marschiert bis wir an einen See kamen." Idylle, die für die Ohren der besorgten Eltern gedacht ist. Da fehlen die langen Stunden in der Nacht, in denen die Gedanken und die Sehnsucht nach Daheim zu stark werden, die Momente wo die Grenze zwischen dem jetzt und dem bekannten so unpassierbar erscheint, dass man die eine Welt als Märchenwelt bezeichnet, die andere dann in eine Box tut um sie für sich zu behalten, zu beschützen.
Ich kann es mir hier nicht leisten, nach hinten zu schauen, bei dem Anblick von der Disengoffstrasse in Tel Aviv an Unter den Linden zu denken, beim Spaziergang durch den Massarikplatz mich an meinen geliebten Helmholtzplatz zu erinnern. Ich bin ehr der Helmholtzplatz, ich bin Prenzlauerberg, ich bin Döner und feines fränkisches Bier und gutes deutsches Brot, ich bin nicht Falafel und Strand und Menschen die nicht fahren können, ich bin nicht Israel. Aber ich muss mit beiden Füßen auf dem Boden stehen, auf diesem Boden hier, mit dem Blick nach vorne – ansonsten wird die erste Welle der Sehnsucht, der Traurigkeit mich wegspülen. Und das kann ich mir nicht leisten.
Wie bekennt man Farbe, wie zeigt man seine Treue für einen Ort, für einen Menschen, für ein Land? Ich kann mich an einen Moment erinnern. Es war 2006, im Frühjahr. Ich habe gerade meine Stelle beim RSB in Berlin verloren, meine damalige Freundin hat mich aus dem Fenster geschmissen, und ich habe meine Diplomprüfung erfolgreich bestanden. Nach einer kurzen Aufenthalt in Israel bin ich zurück nach Berlin geflogen, und wie der Flieger langsam Richtung Flughafen Schönefeld sank und der Berliner Skyline sich aus dem Fenster zeigte, dachte ich mir – ich habe hier keine Frau die mich erwartet, kein Studium, keine Arbeit, und doch ist es mir klar – hier will ich hin, hier bin ich zuhause. Das war der Moment in dem ich Berlin sagte – Schau, alle offiziellen Gründe die ich hatte sind entfallen und doch komme ich zurück zu Dir. Das ist Treue, das ist Liebe, das war der Moment in dem Berlin endgültig zu meiner Heimat wurde. Ich warte noch an einen solchen Moment mit Israel, es dauert aber Jahre, vielleicht wird er auch nie kommen, und es bleibt so einfach wie auch grausam – ich bin im Exil in meinem Vaterland, meine Heimat ist aber Berlin.
Ich drücke Euch,
Euer Ofer
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