Am Sonntag hatte ich endlich meine lang ersehnte Ruhe. Ich habe mich auch irgendwie von der Klimaanlage erkältet, also habe ich nichts anderes gemacht als fernsehen und rumgammeln. Montag war es allerdings mit der Ruhe vorbei.
In der Früh habe ich den Bus zum Hauptbusbahnhof Jerusalems genommen, um nach Tel Aviv zu fahren. Meine Freunde, Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen welche Welten zwischen meinen beiden Heimaten – Berlin und Jerusalem – liegen. Es ist wie gesagt Laubhüttenfest, eins der drei Feste in denen man nach Jerusalem pilgern soll. Dieser Brauch entstand als der Tempel noch da war, mitten im Königreich Davids. Der Bus, den ich genommen habe, war das einzige was aus dem 21 Jahrhundert stammte. Ansonsten kam es mir so vor, als ob sich Afganistan, Polen des 19 Jahrhunderts und Afrika sich hier vermischt haben. Juden mit ihrer vollen Tracht aus langen Mänteln und Fellmützen, Araberinnen die zum Markt gingen mit gigantischen Säcken auf dem Kopf, und andere Menschen die aus einem surealistischen Märchen stammten strömen durch die Strassen dieser Stadt.
In Tel Aviv war die Moderne wieder da. Gili holte mich ab von Bahnhof, und wir sind kurz zum Falafelstand gegangen und dann zum Rechtsanwalt um den Mietvertrag zu unterschreiben. Die Wohnung – wie das ganze Haus – wurde von einer Deutsch-Jüdischen Familie gebaut. Und so fand ich mich in einem Zimmer mit fünf Greisen, die sich gegenseitig angeeckt haben – und zwar auf feinstem 30ger Deutsch. Als sie entdeckt haben dass ich auch Deutsch kann, war die Freude groß. Die Miete blieb aber sehr hoch. Zu diesem Preis könnte man in Berlin den Reichstag mieten und jeden Morgen Kaffe und Kuchen von Westerwelle serviert bekommen. Na gut.
Unsere Wohnung ist ein Traum – groß, mit einem Riesenbalkon, mit einem Arbeitzimmer für mich, und mit drei großen Bäumen vor allen Fenstern. Es gibt also Platz für Euch alle!
Nachdem wir die Wohnung bewundert haben, ging die Arbeit los – Zeug Schleppen. Das meiste war bei meiner Tante in einem kleinen Dorf westlich von Jerusalem, und so sind Gili und ich mehrmals hin – und zurück gefahren, voll beladen mit Matratzen, Sofas, Schränken und ähnliches. Meine Tante und mein Onkel sind ehmalige hochrangige Offiziere der Israelischen Armee die sich zur Ruhe gesetzt haben und Zimmer für Touristen vermieten. Sie haben ein kleines Haus in den Bergen Jerusalems, mitten im Jerusalemer Wald, und führen dort eine ruhige beschauliche Existenz. Wer meinen Onkel besucht muss damit rechnen, bei Kaffe und Kuchen lange Geschichten zu hören – er ist als Kind aus Thessaloniki geflohen, und hat im israelischen Unabhängigkeitskrieg mitgekämpft. Er verkörpert Israel – so wie ich Israel kenne und liebe, ohne Zynismus, ohne Überheblichkeit. Obwohl er nicht mehr der jüngste ist, hat er uns geholfen das ganze Zeug auf seinen alten Citroen zu bergen, während meine Tante, 1.50 Meter groß und voller Energie, uns mit hilfsvollen Ratschlägen bombardiert hat. Oft beendet sie ihre Sätze mit einem "Nicht wahr?" auf Deutsch mit starken Wiener Dialekt, so wie sie es von ihren Eltern kannte.
Zurück in Tel Aviv bin ich in eine politische Diskussion geraten mit zwei von Gilis Freunden. Ich habe ausnahmeweise nichts gesagt – das was ich doch gesagt habe, dass man seine Denkweise in diesem Land ändern sollte, konterten sie sofort mit "Du bist wie die Europäer, die keine Ahnung haben". Ich glaube, ich werde mich erstmal aus solchen Diskussionen fernhalten.
Jetzt ist Gili zurück von Einkaufen, ich habe ihr beim Schleppen geholfen, und während ich die Treppen hoch und runter ging hörte ich aus der Wohnung im Erdgeschoss zwei Geigen, die mit einem Klavier ein Bach Duo übten. Hallo Deutschland, hallo Israel, und bis zum nächsten Mal –
Liebste Grüße,
Euer Ofer
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