Liebe Freunde,
mein Gott, welche Aussagen habe ich bei den letzten zwei Beiträgen benutzt, so plump und direkt, "ich will deutsch sein", na so was. Seit 10 Jahren versuche ich es subtil zu sagen, mit leichten Anmerkungen, oder wie es der fantastische Moritz Bleibtreu mal gesagt hat, "(es) muss im Subtext mitschwingen". Er meinte zwar was anderes damit, trotzdem wollte ich mein Auskennen in der hohen deutschen Kultur zur Schau stellen, und dies mit einem Zitat aus dem Film "Lammbock". Man man man.
Es wäre vielleicht besser, ich würde damit aufhören meine betrübte Seele hier offen darzulegen und mich wieder darauf konzentrieren, Euch von der (unmöglichen) israelischen Realität zu berichten, sodass Ihr wisst was ich mache wenn ich nicht grad bei Euch "drüben" spiele, singe oder tanze.
Also.
In einem der ersten Beiträge habe ich darüber geschrieben, wie sehr es die Israelis mögen, daran erinnert zu werden dass sie sich eigentlich im ständigen Krieg befinden, oder zumindest in irgendeiner Art Notzustand. Ich hätte nicht gedacht dass die Regierung diese Sucht, man kann es nicht anderes nennen, öffentlich unterstützen würde, am Mittwoch wurde ich aber eines besseren belehrt.
Ich fuhr von einer Probe Richtung Jerusalem, zur Uni. Es war ein schöner Tag, die Vögel zwitscherten fröhlich, die Autofahrer hupten sich gegenseitig freundlich an, am Eingang zum Jerusalemer Stadtteil Scheich Jarach wünschten Rechts- und Linksaktivisten der jeweiligen anderen Seite einen qualvollen Tod, und ich freute mich auf eine spannende Vorlesung über den Vergleich zwischen den deutschen Vertriebenen aus Danzig und den palästinensischen Vertriebenen aus Jaffa.
Mein Autoradio war an, und auf einmal sagte die Sprecherin – "liebe Zuhörer, wie Ihr wisst, findet heute eine Bombenalarmübung statt. Also nicht erschrecken, es wird jetzt überall im Land ein Bombenalarm ertönen. Wenn Ihr Zuhause seid, so flieht bitte in aller Ruhe in den Bombenkeller, wenn Ihr aber im Auto sitzt, könnt Ihr entspannt weiterfahren." Wie freundlich, dachte ich mir. Also entspannte ich mich, ließ die Autofenster runter, und wartete. Und da kam es.
An diesem Punkt muss ich Euch was erzählen – Ihr kennt solche Alarme entweder aus Erzählungen aus dem großen Krieg oder aus Filmen. Ich aber habe schon als 11 jähriger Junge den Golfkrieg miterlebt, als Saddam Hussein uns feurige Grüße aus dem Zweiflussland schickte. Mann kann sich diesen Klang kaum vorstellen. Er ist überall, und doch weiß man nicht woher er stammt, er verbreitet sich gleichgültig wie flüssiges Blei, ohne erkennbare Anfang und Ende. Rauf und runter, Raketen aus Irak, Bomben aus Libanon, rauf und runter, Gedenktag an gefallene Soldaten oder an Holocaustopfer, rauf und runter.
Damals, im Winter 91´, haben wir Kinder uns mit zwei Dingen beschäftigt. Das erste war natürlich wessen Gasmaskenbox die schönste war (meine natürlich! Meine Schwester hat sie für mich dekoriert!), und was die verschiedenen Alarmsignale bedeuten. Dieses Gebiet der Schreckenmusik hat sich sehr entwickelt seit den 40gern in Deutschland, damals gab es ja lediglich nur Alarm und Entwarnung. In Israel gibt es eine ganze Palette von Signalen, und da ich derjenige bin der in der Familie das musikalischste Ohr hatte, war es meine Aufgabe zu erkennen was sich in der Spitze der irakischen Rakete befindet die sich auf den Weg zu uns gemacht hat. Ruhige Rauf und Runterwellen bedeuten ganz normale Bomben, schnelle rauf-rauf Signale sind chemische oder biologische Waffen (oder wie meine Oma es zu sagen pflegte damals, als sie versucht hat mir durch die Gasmaske Apfelsaft zu geben – Erkältungsraketen), und (soweit ich mich erinnere, es ist schon ziemlich lange her) rauf mit einem Triller oben – Atomwaffen. Als Jerusalemer haben wir übrigens ziemlich schnell erkannt, der liebe Saddam hat Angst davor die heiligen Städte zu treffen, also hat er Jerusalem verschont. Nach ungefähr einer Woche gaben wir uns nicht mehr die Mühe, in das "Sicherheitszimmer" zu gehen, sondern haben lediglich die Fenster aufgemacht sodass sie von den Druckwellen, die die Antiluftraketen der Amerikaner die in der Nähe von Jerusalem stationiert waren erzeugt haben, nicht zersprengt werden.
Ach ja, die Kindheit war schon was Feines. Aber zurück zur Gegenwart, wo ich in meinem Auto sitze und dem Klang der Alarmübung zuhöre. Und auf einmal, unerwartet, ist mir übel geworden, meine Hände fingen an zu schwitzen, mein Mund wurde trocken, und mein Herz raste wie verrückt. Rauf und runter, runter und rauf, es ist nur eine Übung, was ganz normales, ich dachte an die bunte Gasmaskenbox in dem Keller meiner Familie, rauf und runter, mit der Atropinspritze und dem Ersatzfilter, runter und rauf, es ist nur eine Übung, wie sanfte Wellen schaukelte mich das Alarm noch ein Paar mal bevor es verschwand, ohne erkennbare Anfang und Ende.
Liebe Grüße aus Israel,
Euer Ofer
Freitag, 28. Mai 2010
Dienstag, 18. Mai 2010
Ergänzungsbeitrag zum Tagebuch 28
Direkt nachdem ich den letzten Eintrag geschrieben habe, vor etwa sechs Stunden, bin ich mit Gili ins Auto gestiegen und nach Jerusalem gefahren.
Während der Fahrt dahin, und vor allem während der Fahrt zurück, durch die feuchte Nacht, habe ich an das gedacht, was ich geschrieben habe. Auf Einmal dachte ich mir, vielleicht habe ich einen Irrtum begangen, indem ich nur die Freunde aus der Nürnberger Horngruppe erwähnt habe. Das ganze Staatstheater, vom Personalbüro bis zu den Kantinenmitarbeitern, sogar mein alter irakischer Freund vom Hauptmarkt, sie alle haben mich mit offenen Armen in Nürnberg empfangen. Und was ist mit den ganzen Berliner Freunden? Mit M., bei der ich jedes Mal wohne, die für mich meine deutsche Familie ist? Was ist mit den ganzen Freunden aus der Nachbarschaft in Prenzlauer Berg, was ist mit A., die mich über so lange Strecken in meinem Leben in Berlin begleitet hat? Was ist mit meinen Lehrern und Kommilitonen aus der Uni? Wieso haben sie es nicht verdient, erwähnt zu werden?
Bevor ich die Antwort schreibe, die ich für mich gefunden habe, muss ich eine Feststellung machen. Ich lösche nie etwas, was ich in diesem Tagebuch schreibe. Diese Texte sind nicht nur dazu da, Euch davon zu berichten was ich so mache und sehe in Israel, oder um den Kontakt nach Deutschland zu erhalten. Sie sind auch dazu da um mir zu helfen, diesen krassen Wechsel in meinem Leben zu verarbeiten, zu verstehen. Deswegen wird nie was gelöscht oder verändert. Und jetzt zu meiner Antwort.
Es gibt in der Tat eine Sache, die meine Verbindung zu der Horngruppe in Nürnberg von all den anderen Verbindungen unterscheidet. Ich bin, wie Ihr alle wisst, Israeli. Ein großer Teil von mir wollte (und will immer noch) deutsch sein. Ich wurde die ganzen Jahre von einem Gefühl begleitet, von einem Wunsch, dazu zu gehören. Deswegen versuche ich immer wieder den Berliner Dialekt zu sprechen, obwohl es F. immer tierisch auf die Nerven geht und er es lächerlich findet. Deswegen saß ich im Frankenstadion und habe gesungen "FCN, come again, Sieg für Sieg, Tor für Tor…", deswegen hing eine Deutschlandfahne an meinem Roller während der 2006 WM. Aber in all den Freundschaften die ich in Deutschland hatte, war ich entweder Ofer, oder ein Israeli. Nicht dass ich wie einen Fremden behandelt wurde – um Gottes Willen. Ich wurde wie einen Freund behandelt, ja bei einigen wie ein Familienmitglied – aber ein Deutscher war ich nie, werde ich auch nie sein.
Es gab aber einen Ort, bei dem ich ein sehr starkes Zugehörigkeitsgefühl hatte – einmal dürft Ihr raten wo. Man darf nicht vergessen – mein erstes, offizielles Ziel in Deutschland war es, als ebenbürtigen Hornisten dort akzeptiert zu werden, und in eine Horngruppe aufgenommen zu werden. Dieses Gefühl hatte ich in keinem der Orchester, bei denen ich in Berlin gespielt habe. Bei den Nürnbergern aber, in diesen Momenten wo wir zusammen musizierten, wo wir zusammen Schnaps getrunken haben, Kicker gespielt haben, miteinander geredet haben, da war ich ein Teil einer deutschen Horngruppe, und war, ganz einfach, glücklich. Da habe ich dazu gehört. Als Freund und Kollege. Und dafür bin ich meinen Freunden aus dieser Gruppe sehr dankbar. Es ist auch kein Wunder dass der Ort, an dem mir der Wiedereintritt in die israelische Atmosphäre am schwierigsten fällt, die neue israelische Oper ist. Für mich ist Oper gleich Deutschland, darüber habe ich ja auch schon einiges geschrieben.
Eine lustige Geschichte will ich Euch zum Abschluss erzählen – heute, bei der Probe, wollte ich aufs Klo. Leider war die Tür zu, und man konnte nicht erkennen ob jemand drin war oder das Klo einfach zugesperrt war. Ich habe also zwei drei Mal geklopft, und nach kurzer Zeit öffnete ein Schlagzeugkollege die Tür. "Savlanut, Deutschland, savlanut!" Sagte er mit einem Lächeln. Savlanut heißt Geduld – aber Deutschland heißt Deutschland, also so heiße ich anscheinend bei einigen Kollegen. Wenn das Kein Beweis meines deutschen Daseins ist….
Ich habe mir mit diesem Eintrag einen Stein vom Herzen entfernt, sowie einen Besuch beim Psychologen gespart. Ich danke Euch dafür.
Gute Nacht aus Tel Aviv,
Euer Ofer
p.s. (ja ja, es geht weiter): Man müsste sich auch fragen, wieso ich meine Band nicht so erwähne als das deutscheste was ich in Eurem Land habe. Das Ding ist aber so – diese Band ist zusammengestellt von lauten Wahlberliner, die eigentlich so wie ich in einer Art ewigem Exil leben. Sogar der einzige Deutsche in der Band kommt aus dem Süden, und hat mit Berlin am meisten zu kämpfen als wir alle, die eigentlich Ausländer sind.
Während der Fahrt dahin, und vor allem während der Fahrt zurück, durch die feuchte Nacht, habe ich an das gedacht, was ich geschrieben habe. Auf Einmal dachte ich mir, vielleicht habe ich einen Irrtum begangen, indem ich nur die Freunde aus der Nürnberger Horngruppe erwähnt habe. Das ganze Staatstheater, vom Personalbüro bis zu den Kantinenmitarbeitern, sogar mein alter irakischer Freund vom Hauptmarkt, sie alle haben mich mit offenen Armen in Nürnberg empfangen. Und was ist mit den ganzen Berliner Freunden? Mit M., bei der ich jedes Mal wohne, die für mich meine deutsche Familie ist? Was ist mit den ganzen Freunden aus der Nachbarschaft in Prenzlauer Berg, was ist mit A., die mich über so lange Strecken in meinem Leben in Berlin begleitet hat? Was ist mit meinen Lehrern und Kommilitonen aus der Uni? Wieso haben sie es nicht verdient, erwähnt zu werden?
Bevor ich die Antwort schreibe, die ich für mich gefunden habe, muss ich eine Feststellung machen. Ich lösche nie etwas, was ich in diesem Tagebuch schreibe. Diese Texte sind nicht nur dazu da, Euch davon zu berichten was ich so mache und sehe in Israel, oder um den Kontakt nach Deutschland zu erhalten. Sie sind auch dazu da um mir zu helfen, diesen krassen Wechsel in meinem Leben zu verarbeiten, zu verstehen. Deswegen wird nie was gelöscht oder verändert. Und jetzt zu meiner Antwort.
Es gibt in der Tat eine Sache, die meine Verbindung zu der Horngruppe in Nürnberg von all den anderen Verbindungen unterscheidet. Ich bin, wie Ihr alle wisst, Israeli. Ein großer Teil von mir wollte (und will immer noch) deutsch sein. Ich wurde die ganzen Jahre von einem Gefühl begleitet, von einem Wunsch, dazu zu gehören. Deswegen versuche ich immer wieder den Berliner Dialekt zu sprechen, obwohl es F. immer tierisch auf die Nerven geht und er es lächerlich findet. Deswegen saß ich im Frankenstadion und habe gesungen "FCN, come again, Sieg für Sieg, Tor für Tor…", deswegen hing eine Deutschlandfahne an meinem Roller während der 2006 WM. Aber in all den Freundschaften die ich in Deutschland hatte, war ich entweder Ofer, oder ein Israeli. Nicht dass ich wie einen Fremden behandelt wurde – um Gottes Willen. Ich wurde wie einen Freund behandelt, ja bei einigen wie ein Familienmitglied – aber ein Deutscher war ich nie, werde ich auch nie sein.
Es gab aber einen Ort, bei dem ich ein sehr starkes Zugehörigkeitsgefühl hatte – einmal dürft Ihr raten wo. Man darf nicht vergessen – mein erstes, offizielles Ziel in Deutschland war es, als ebenbürtigen Hornisten dort akzeptiert zu werden, und in eine Horngruppe aufgenommen zu werden. Dieses Gefühl hatte ich in keinem der Orchester, bei denen ich in Berlin gespielt habe. Bei den Nürnbergern aber, in diesen Momenten wo wir zusammen musizierten, wo wir zusammen Schnaps getrunken haben, Kicker gespielt haben, miteinander geredet haben, da war ich ein Teil einer deutschen Horngruppe, und war, ganz einfach, glücklich. Da habe ich dazu gehört. Als Freund und Kollege. Und dafür bin ich meinen Freunden aus dieser Gruppe sehr dankbar. Es ist auch kein Wunder dass der Ort, an dem mir der Wiedereintritt in die israelische Atmosphäre am schwierigsten fällt, die neue israelische Oper ist. Für mich ist Oper gleich Deutschland, darüber habe ich ja auch schon einiges geschrieben.
Eine lustige Geschichte will ich Euch zum Abschluss erzählen – heute, bei der Probe, wollte ich aufs Klo. Leider war die Tür zu, und man konnte nicht erkennen ob jemand drin war oder das Klo einfach zugesperrt war. Ich habe also zwei drei Mal geklopft, und nach kurzer Zeit öffnete ein Schlagzeugkollege die Tür. "Savlanut, Deutschland, savlanut!" Sagte er mit einem Lächeln. Savlanut heißt Geduld – aber Deutschland heißt Deutschland, also so heiße ich anscheinend bei einigen Kollegen. Wenn das Kein Beweis meines deutschen Daseins ist….
Ich habe mir mit diesem Eintrag einen Stein vom Herzen entfernt, sowie einen Besuch beim Psychologen gespart. Ich danke Euch dafür.
Gute Nacht aus Tel Aviv,
Euer Ofer
p.s. (ja ja, es geht weiter): Man müsste sich auch fragen, wieso ich meine Band nicht so erwähne als das deutscheste was ich in Eurem Land habe. Das Ding ist aber so – diese Band ist zusammengestellt von lauten Wahlberliner, die eigentlich so wie ich in einer Art ewigem Exil leben. Sogar der einzige Deutsche in der Band kommt aus dem Süden, und hat mit Berlin am meisten zu kämpfen als wir alle, die eigentlich Ausländer sind.
Montag, 17. Mai 2010
Israelisches Tagebuch 28
Die Flügel zitterten ein wenig, der Druck in meinen durch Erkältung verstopften Ohren wurde unerträglich, aus dem Fenster zeigte sich Tel Aviv, die Lichter umgeben von einer Aura die die schweißauslösende Luftfeuchtigkeit verriet. Meine 12 Zaubertage in Deutschland sind vorbei, jetzt erwartet mich meine liebende Frau und lange Proben für die vierte Sinfonie von Mahler, und 35 Grad im Schatten.
Ich spüle aber den Film ein wenig zurück.
Erstmal kam Berlin, kalt, regnerisch, freundlich auf einer Art, die nur Berlinliebende nachvollziehen können. Ich habe mir einen ganzen Tag frei genommen, um durch Prenzlauer Berg, mein altes Zuhause, spazieren zu gehen. Der Helmholtzplatz, das Ludmila Café in der Sredzkistrasse, die freundlichen Alkoholiker die den freundlichen Kiffern beim Tisch-Tennisspiel zusehen, müde, glückliche Mütter mit schicken Kinderwaggons, und ein Duft von Freiheit, echter Freiheit, Berliner Freiheit, halt.
Meine Band und ich haben vier Konzerte in drei Tagen gegeben. Wir hatten die Ehre im "Café Burger" zu spielen, Quelle von guter Laune und feiner Musik in Berlin seit den 30gern, wir gaben ein Konzert in einem halb-legalen russischen Schuppen an der Spree, mit lauten "Daragoj" und "Nastarowia" Rufen, wir haben in einem anderen Club eine wahnsinnige 20ger Jahre Party erlebt, der absolute Höhepunkt war aber zweifelsohne am Samstag, den 8.5, im Babylonkino in Berlin-Mitte. Wir wurden kurzfristig bestellt wegen einer unerwarteten Absage. Und so sind wir am frühen Abend ins Kino gekommen, um auf einer Veranstaltung zu spielen mit dem Titel – "Linke Kinonacht – Tag der Befreiung". Aha.
Als wir in den großen Saal einmarschiert sind lief noch ein Film, nach dem wir hätten spielen sollen. Schwarzweiße Figuren von russischen Soldaten füllten die Leinwand. Mit hellem Schopf, ständig singend, sind sie durch Dörfer marschiert, wo wunderschöne, ebenfalls blonde Mädchen sie mit Blumen zugeworfen haben. Auf einmal – Schreck – ein deutscher Soldat. Einer der russischen Soldaten läuft ihm hinterher, der Deutsche versucht zu fliehen, ist aber durch seine eigene Angst verwirrt und bald stolpert er, und mit einem Blick voller Terror hebt er einen Arm um mögliche Schläge von seinem Gesicht abzuhalten. Der "Iwan" will ihn tatsächlich ein Paar Ohrfeigen geben, dann kommt aber sein Offizier – unverkennbar mit einem gigantischen Stern (der trotz der Schwarzweißversion rot zu schimmern schien) – hielt die Hand, die schlagen wollte, und sagte – "Nein, Kamerad. Wir machen so was nicht." In dem dunklen Kinosaal gab es vereinzelt Applaus, und ich dachte mir – ich bin selber in einem Film.
Der Auftritt war eigentlich gut, beim "Tum Balalaika" haben einige im Saal sogar mitgesummt, und nach spannenden 45 Minuten nahmen wir Abschied von den jungen Kommunisten und den alten SED…. Oh, sorry, Linke-Funktionären, und sind auf das nächste Konzert gegangen. Es lebe Berlin!
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Ein guter Freund der sein Leben zwischen Berlin und München teilt war so freundlich, um seine Pläne so zu gestalten sodass er mich am Sonntag von Berlin nach Nürnberg mitnehmen konnte. Und so bin ich Sonntagabend in meine alte WG in Nürnberg-Johannes reinspaziert. Ach, Nürnberg, mein geliebtes Nürnberg. Die alten Sandsteinwände, das quietschende alte Eingangstür, und die rrrrrrrrollenden Grrrrrrrrrrüße der Frrrrreude - meine alten Mitbewohner - die mir sofort das Gefühl gegeben haben, dass ich Zuhause bin. Und bald saßen wir alle am Küchentisch, und haben über dieses und jenes geplaudert, und ich dachte mir, genau an diesem Tisch saß ich als ich mich für das Studium in Jerusalem beworben habe, oder als ich die Einladung bekommen habe, die Stelle an der israelischen Oper anzutreten. War das echt erst im letzten Frühling?
Aber es sind ja nicht nur meine lieben Mitbewohner, die mir das Zuhausegefühl in Nürnberg geben. Es gibt ja eine Gruppe von Menschen, die sich aus ganz Deutschland (und Holland! Hab die…!) in Nürnberg versammelt haben um gute Musik zu machen und gute Laune zu verbreiten, die verrückt und lieb und laut und lustig sind, die die versautesten Witze reißen (tut mir Leid, ich kann keine Beispiele geben, es ist ja eine öffentliche Internetseite), die es verdient haben, eine eigene nach ihnen benannte Liebe- und Freundschaftsklausel in dem TVK (Tarifvertrag der deutschen Kulturorchester) zu bekommen – ich rede natürlich von der Horngruppe der Nürnberger Philharmoniker. Die Woche, die wir gemeinsam verbracht haben war wahrlich zauberhaft. Wie sehr habe ich es vermisst, meinen Frack anzuziehen und gemeinsam mit diesen mir so teueren Menschen auf die Bühne der Meistersingerhalle aufzutreten. Normalerweise nenne ich bei diesem Blog keine Namen, und normalerweise versuche ich meine unerträgliche südländische Emotionalität unter Kontrolle zu halten, aber – Michael, Stefan, David, Miriam, Steff und Uli, und natürlich auch Frank und Harald – ich habe Euch echt lieb. Und was für ein Hornfest haben wir da gefeiert! Die Alpensinfonie von Strauss, das vierte Hornkonzert von Mozart, und die Kammersinfonie von Schönberg – jedes Hornherz würde aus Freude fast aus der Brust springen bei einem solchen Programm.
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Die Tel Aviver Luft ist feucht und schwer, und ich sitze auf meinem Balkon, esse Wassermelone, und lese das, was ich bis jetzt geschrieben habe.
Oft schreibe ich in diesem Blog über den hohen Preis des Exils, über den Preis den man zahlt wenn man zwei "Zuhause" hat. Aber beim Lesen dieses Texts, verstehe ich wie bereichernd es ist, wie wunderschön es sein kann, mich in Deutschland und in Israel, in Berlin, Jerusalem, Nürnberg und Tel Aviv zuhause zu fühlen. Eigentlich, liebe Freunde, bin ich ein glücklicher Mensch.
Liebste Grüße an Euch alle,
Euer Ofer
Ich spüle aber den Film ein wenig zurück.
Erstmal kam Berlin, kalt, regnerisch, freundlich auf einer Art, die nur Berlinliebende nachvollziehen können. Ich habe mir einen ganzen Tag frei genommen, um durch Prenzlauer Berg, mein altes Zuhause, spazieren zu gehen. Der Helmholtzplatz, das Ludmila Café in der Sredzkistrasse, die freundlichen Alkoholiker die den freundlichen Kiffern beim Tisch-Tennisspiel zusehen, müde, glückliche Mütter mit schicken Kinderwaggons, und ein Duft von Freiheit, echter Freiheit, Berliner Freiheit, halt.
Meine Band und ich haben vier Konzerte in drei Tagen gegeben. Wir hatten die Ehre im "Café Burger" zu spielen, Quelle von guter Laune und feiner Musik in Berlin seit den 30gern, wir gaben ein Konzert in einem halb-legalen russischen Schuppen an der Spree, mit lauten "Daragoj" und "Nastarowia" Rufen, wir haben in einem anderen Club eine wahnsinnige 20ger Jahre Party erlebt, der absolute Höhepunkt war aber zweifelsohne am Samstag, den 8.5, im Babylonkino in Berlin-Mitte. Wir wurden kurzfristig bestellt wegen einer unerwarteten Absage. Und so sind wir am frühen Abend ins Kino gekommen, um auf einer Veranstaltung zu spielen mit dem Titel – "Linke Kinonacht – Tag der Befreiung". Aha.
Als wir in den großen Saal einmarschiert sind lief noch ein Film, nach dem wir hätten spielen sollen. Schwarzweiße Figuren von russischen Soldaten füllten die Leinwand. Mit hellem Schopf, ständig singend, sind sie durch Dörfer marschiert, wo wunderschöne, ebenfalls blonde Mädchen sie mit Blumen zugeworfen haben. Auf einmal – Schreck – ein deutscher Soldat. Einer der russischen Soldaten läuft ihm hinterher, der Deutsche versucht zu fliehen, ist aber durch seine eigene Angst verwirrt und bald stolpert er, und mit einem Blick voller Terror hebt er einen Arm um mögliche Schläge von seinem Gesicht abzuhalten. Der "Iwan" will ihn tatsächlich ein Paar Ohrfeigen geben, dann kommt aber sein Offizier – unverkennbar mit einem gigantischen Stern (der trotz der Schwarzweißversion rot zu schimmern schien) – hielt die Hand, die schlagen wollte, und sagte – "Nein, Kamerad. Wir machen so was nicht." In dem dunklen Kinosaal gab es vereinzelt Applaus, und ich dachte mir – ich bin selber in einem Film.
Der Auftritt war eigentlich gut, beim "Tum Balalaika" haben einige im Saal sogar mitgesummt, und nach spannenden 45 Minuten nahmen wir Abschied von den jungen Kommunisten und den alten SED…. Oh, sorry, Linke-Funktionären, und sind auf das nächste Konzert gegangen. Es lebe Berlin!
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Ein guter Freund der sein Leben zwischen Berlin und München teilt war so freundlich, um seine Pläne so zu gestalten sodass er mich am Sonntag von Berlin nach Nürnberg mitnehmen konnte. Und so bin ich Sonntagabend in meine alte WG in Nürnberg-Johannes reinspaziert. Ach, Nürnberg, mein geliebtes Nürnberg. Die alten Sandsteinwände, das quietschende alte Eingangstür, und die rrrrrrrrollenden Grrrrrrrrrrüße der Frrrrreude - meine alten Mitbewohner - die mir sofort das Gefühl gegeben haben, dass ich Zuhause bin. Und bald saßen wir alle am Küchentisch, und haben über dieses und jenes geplaudert, und ich dachte mir, genau an diesem Tisch saß ich als ich mich für das Studium in Jerusalem beworben habe, oder als ich die Einladung bekommen habe, die Stelle an der israelischen Oper anzutreten. War das echt erst im letzten Frühling?
Aber es sind ja nicht nur meine lieben Mitbewohner, die mir das Zuhausegefühl in Nürnberg geben. Es gibt ja eine Gruppe von Menschen, die sich aus ganz Deutschland (und Holland! Hab die…!) in Nürnberg versammelt haben um gute Musik zu machen und gute Laune zu verbreiten, die verrückt und lieb und laut und lustig sind, die die versautesten Witze reißen (tut mir Leid, ich kann keine Beispiele geben, es ist ja eine öffentliche Internetseite), die es verdient haben, eine eigene nach ihnen benannte Liebe- und Freundschaftsklausel in dem TVK (Tarifvertrag der deutschen Kulturorchester) zu bekommen – ich rede natürlich von der Horngruppe der Nürnberger Philharmoniker. Die Woche, die wir gemeinsam verbracht haben war wahrlich zauberhaft. Wie sehr habe ich es vermisst, meinen Frack anzuziehen und gemeinsam mit diesen mir so teueren Menschen auf die Bühne der Meistersingerhalle aufzutreten. Normalerweise nenne ich bei diesem Blog keine Namen, und normalerweise versuche ich meine unerträgliche südländische Emotionalität unter Kontrolle zu halten, aber – Michael, Stefan, David, Miriam, Steff und Uli, und natürlich auch Frank und Harald – ich habe Euch echt lieb. Und was für ein Hornfest haben wir da gefeiert! Die Alpensinfonie von Strauss, das vierte Hornkonzert von Mozart, und die Kammersinfonie von Schönberg – jedes Hornherz würde aus Freude fast aus der Brust springen bei einem solchen Programm.
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Die Tel Aviver Luft ist feucht und schwer, und ich sitze auf meinem Balkon, esse Wassermelone, und lese das, was ich bis jetzt geschrieben habe.
Oft schreibe ich in diesem Blog über den hohen Preis des Exils, über den Preis den man zahlt wenn man zwei "Zuhause" hat. Aber beim Lesen dieses Texts, verstehe ich wie bereichernd es ist, wie wunderschön es sein kann, mich in Deutschland und in Israel, in Berlin, Jerusalem, Nürnberg und Tel Aviv zuhause zu fühlen. Eigentlich, liebe Freunde, bin ich ein glücklicher Mensch.
Liebste Grüße an Euch alle,
Euer Ofer
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