Ich wurde darum gebeten, im Zusammenhang mit diesem Blog über mein Leben zu schreiben. Ich gebe zu, es fühlt sich ein wenig komisch an. Ich habe einen Versuch unternommen, es kam aber dabei einen Lebenslauf heraus der stark an eine Jobbewerbung erinnert, was sicherlich nicht gemeint war. Ich versuche es noch ein Mal, aber jetzt – wie man so schön sagt – I do it my way.
Ich wurde in Jerusalem geboren – und bin, trotz meiner Liebe zu fernen deutschen Städten ein Kind Jerusalems geblieben. Es ist aber ein Jerusalem das nichts mit dem hier und jetzt zu tun hat, sondern ehr ein seelischer Ort, ein Gemütszustand, der sich weniger durch geographische Platzierung beschreiben lässt, viel mehr aber durch Gerüche und Farben, durch Menschen die in dieser Stadt die Nähe zu Gott suchen, und durch das goldene Licht das Jerusalem jeden Abend für eine Stunde wahrlich königlich aussehen lässt.
In der Nachbarschaft meiner Kindheit, "Najot", herrschte jeden Mittag zwischen zwei und vier absolute Stille. Und weh dem Kind das es wagte, draußen auf der Strasse mit einem Ball zu spielen. Sobald so was geschah, ertönte aus einem der Fenster dies eine Wort, das zu dem ersten Baustein meines deutschen Wortschatzes geworden ist. "Schlafstunde!!!"
Und so kann man diese Nachbarschaft beschreiben – eine kleine deutschsprachige Insel mitten im staubigen Jerusalem, die (so wie das Nah liegende Kloster, das ich in einem meiner Beiträge beschrieben habe) mit anderen Orten und Zeiten kommunizierte als mit ihrer direkten Umgebung. Irdische Angelegenheiten wie Krieg (allein in meiner Kindheit gab es drei davon) oder Politik waren den älteren Bewohnern nicht würdig. Begin, Rabin und Sadat? Heine, Goethe und Beethoven!
Die meisten Kinder die mit mir dort aufgewachsen sind haben es geschafft, sich von diesem inneren Exil zu lösen. Der europäische Zauber wohnte in dunklen Gedächtnisecken von Opas und Omas mit einem fürchterlichen Akzent, Ecken, die man gut von der prallen israelischen Sonne behüten musste. Genau aber diese Sonne bevorzugten meine Altergenossen, und so kam es dass während sie draußen Fußball spielten, saß ich zuhause und redete während meiner Übepausen mit den alten Nachbarn, oder viel besser, mit meiner Oma (Die, oh die Schande, aus Jeroslaw kam. "Vielleicht doch aus Königsberg?" versuchte mein Vater was Deutsches aus ihr zu retten als meine Eltern sich kennen lernten). Ihren Geschichten werde ich aber mindestens einen Extra-Beitrag widmen müssen.
Wie viele Kinder aus der Gegend wurde auch ich zum elitären Universitätsgymnasium geschickt. Dort waren die Lehrer sehr verständnisvoll als ich nach langen Konzerten mit dem jungen israelischen philharmonischen Orchester im Klassunterricht eingeschlafen bin. Diese erstklassigen Erziehern, mit denen ich von Gott gesegnet wurde, versuchten uns Kindern stets die Botschaft zu geben – das wichtige im Leben sei nicht Geld oder Militär, sondern viel mehr freies Denken und Menschenliebe. Da zu dieser Zeit in Israel die ersteren herrschten, kam es dass der Löwenanteil meines Jahrgangs unseren Lehrern Recht gab und direkt nach dem Militärdienst das Land verlassen hat.
Die meisten, die sich in Princeton und Stanford oder Indien und Südamerika wieder fanden, suchten nach "neuer Luft", nach einer Atempause von der ermüdenden israelischen Realität. Ich aber suchte nach alter Luft, nach genau den Geschichten der Alten, und als ich die Einladung nach Berlin bekam, war die einzige Frage – wie schnell kann ich dorthin umziehen.
Was ab dann geschah, bleibt dem nächsten Beitrag erhalten. Ich muss jetzt leider los, zur Uni.
An Euch alle einen lieben Gruß,
Euer Ofer
p.s. das mit dem Kommentarenhinterlassen war ernst gemeint…
Dienstag, 27. April 2010
Samstag, 24. April 2010
Israelisches Tagebuch 26
Ein Kollege aus Nürnberg hat mir mal gesagt, als wir über unseren Beruf geredet haben, die deutschen Berufsmusiker seien "wie die Bergbauer, eine Berufsgruppe die sich seit hundert Jahren nicht verändert hat." Recht hat er. Ich kann es zwar schwer beschreiben, aber wenn man in einem deutschen Orchester spielt, und die Außenwelt anschaut – eine Welt die immer höher, schneller, größer, teuerer sein will – merkt man mit welcher Gemütlichkeit man seinen Beruf ausübt. Die gleichen Witze die die Musiker der Krolloper in Berlin zum Lachen gebracht haben, lassen auch heute junge Musiker in der deutschen Oper grinsen. (Ein Beispiel – was ist ein Kollege? Jemand der das gleiche Instrument spielt, nur ein wenig schlechter.) Man trägt, wie damals, einen Frack, und trinkt Molle und Korn nach einer guten (oder viel Molle und Korn nach einer schlechten) Vorstellung. Man spuckt sein "Toi toi toi" über die Schulter, der Dirigent heißt Kapellmeister, und die älteren Kollegen erzählen von ihren Lehrern die mit Menschen wie Mahler, Strauss oder Schönberg gespielt haben.
Das ist wahrscheinlich der Ort, an dem die Kollision zwischen meiner alten Realität und der jetzigen am stärksten zu spüren ist. An der neuen israelischen Oper, Da-Vinci Strasse, Tel Aviv. Ich möchte nicht arrogant vorkommen, für mich aber ist die Kombination "Oper" und "Israel" schwer zu verdauen. "Oper" ist Deutschland, ist ein Wald aus Bierflaschen nach einer langen Vorstellung von "der Fliegende Holländer", ist Lackschuhe und Rennen durch alte Gänge, in einer Hand die Bühnenmusiknoten von "Tannhäuser", in der anderen den Frackschwanz. "Israel" ist laute Menschen, ist Verkehrsdschungel, ist Hummus auf dem Strand von Tel Aviv, oder die in sich verschlingenden Strassen der Jerusalemer Altstadt. Was soll also eine "israelische Oper" sein? Wie geht so was? Habt Ihr mal versucht, Molle und Korn in 35 Grad zu trinken?
Wäre das eine Filmszene gewesen, würde man sie als "traurig-süß" beschreiben, als naiv. Ich meine mich – wie ich im Orchestergraben sitze und versuche, um mich die Realität zu schaffen die ich aus Nürnberg oder Berlin kenne. Ich klopfe leise auf meine Schenkel wenn ein Kollege schön spielt, ich schreibe "V.S." auf die Noten (bis heute weiß ich nicht, was das heißt) wenn man das Blatt schnell wenden muss, ich unterschreibe die letzte Seite dieser Noten, und möchte die Hand des Kollegen, der neben mir gespielt hat, feierlich schütteln bevor man den Graben verlässt. Dieser Kollege aber, in Israel, hat mich mit großen Augen angeschaut als ich ihm zum ersten Mal meine Hand ausgestreckt habe. "Wie jetzt, gehst Du schon?" hat er gefragt. Traurig-süß.
Und wenn ich in wenigen Wochen in der Meistersingerhalle in Nürnberg meine Fliege vor dem Spiegel zurecht rücken werde, um dann mein Horn zu nehmen und mit meinen guten Freunden die "Alpensinfonie" zu spielen, wird es sich ein wenig wie Heimkehren fühlen.
Ich drücke Euch alle,
Euer Ofer
p.s. ich habe jetzt endlich die Funktion entdeckt die es Euch ermöglicht Kommentare zu hinterlassen. Es gilt auch für die älteren Beiträge. Ich würde mich sehr freuen, sie zu bekommen!
Das ist wahrscheinlich der Ort, an dem die Kollision zwischen meiner alten Realität und der jetzigen am stärksten zu spüren ist. An der neuen israelischen Oper, Da-Vinci Strasse, Tel Aviv. Ich möchte nicht arrogant vorkommen, für mich aber ist die Kombination "Oper" und "Israel" schwer zu verdauen. "Oper" ist Deutschland, ist ein Wald aus Bierflaschen nach einer langen Vorstellung von "der Fliegende Holländer", ist Lackschuhe und Rennen durch alte Gänge, in einer Hand die Bühnenmusiknoten von "Tannhäuser", in der anderen den Frackschwanz. "Israel" ist laute Menschen, ist Verkehrsdschungel, ist Hummus auf dem Strand von Tel Aviv, oder die in sich verschlingenden Strassen der Jerusalemer Altstadt. Was soll also eine "israelische Oper" sein? Wie geht so was? Habt Ihr mal versucht, Molle und Korn in 35 Grad zu trinken?
Wäre das eine Filmszene gewesen, würde man sie als "traurig-süß" beschreiben, als naiv. Ich meine mich – wie ich im Orchestergraben sitze und versuche, um mich die Realität zu schaffen die ich aus Nürnberg oder Berlin kenne. Ich klopfe leise auf meine Schenkel wenn ein Kollege schön spielt, ich schreibe "V.S." auf die Noten (bis heute weiß ich nicht, was das heißt) wenn man das Blatt schnell wenden muss, ich unterschreibe die letzte Seite dieser Noten, und möchte die Hand des Kollegen, der neben mir gespielt hat, feierlich schütteln bevor man den Graben verlässt. Dieser Kollege aber, in Israel, hat mich mit großen Augen angeschaut als ich ihm zum ersten Mal meine Hand ausgestreckt habe. "Wie jetzt, gehst Du schon?" hat er gefragt. Traurig-süß.
Und wenn ich in wenigen Wochen in der Meistersingerhalle in Nürnberg meine Fliege vor dem Spiegel zurecht rücken werde, um dann mein Horn zu nehmen und mit meinen guten Freunden die "Alpensinfonie" zu spielen, wird es sich ein wenig wie Heimkehren fühlen.
Ich drücke Euch alle,
Euer Ofer
p.s. ich habe jetzt endlich die Funktion entdeckt die es Euch ermöglicht Kommentare zu hinterlassen. Es gilt auch für die älteren Beiträge. Ich würde mich sehr freuen, sie zu bekommen!
Samstag, 17. April 2010
Israelisches Tagebuch 25
Diese Woche kann man als die ultimative israelische Nationalwoche beschreiben. Innerhalb von acht Tagen erlebt die israelische Kollektivseele eine turbulente Reise, vom Gedenktag für die Opfer des Holocausts, durch den Gedenktag für die gefallenen Soldaten, hindurch zu dem Unabhängigkeitstag.
Es ist schon etwas länger her, seitdem ich das letzte Mal diese emotionale Achterbahn Israels mitgemacht habe. In Deutschland gibt es wenig Verlangen danach, sich gemeinsam zu erinnern wieso man in diesem Land lebt und was alles passieren musste sodass man hier ist. Man ist einfach da, es ist eine Tatsache der Natur, Deutschland gehörte ja den Deutschen, oder ihren Vorfahren, seit den Tagen an denen sie (die Vorfahren) Mammuts hinterher gelaufen sind. Ihr habt ja keinen 2000 jährigen Spaziergang durch die Welt gemacht, oder wie Moritz Bleibtreu es fabelhaft formuliert hat, als er von Lucas Gregorowicz in dem Film "Lammbock" gefragt wird, ob er nie Angst hat dass er hier nie wegkommt. "Wieso? Ist doch schön hier!". Hätte er das den Juden um 72 A.D. gesagt, hätten wir einige Probleme weniger gehabt.
Am letzten Montag, also am Holocaustgedenktag, stand ich in der Küche und habe den Abwasch gemacht. Das Fenster stand offen, und ich genoss die kühle Brise während ich Hummus-Überreste von den Tellern abwischte. Auf einmal hörte ich eine Sirene. Ich meine keine Polizeisirene, sondern eine echte, bluteinfrierende Kriegssirene. Ich war in meinen Gedanken zu meiner Kindheit, zu den Tagen des Golfkriegs als die irakischen Raketen uns auf den Kopf geflogen sind, zurückgekehrt. (Übrigens, darüber könnte man auch mal was schreiben – über das Klanggedächtnis. Ich saß einmal mit zwei Kollegen des Berliner Rundfunk Sinfonie Orchesters auf unser Konzert wartend, im Hotel in Prag. Auf einmal hörten wir aus der Stadt den Klang einer Explosion. Meine Kollegen, beide Ossis, sagten einstimmig "der Russe kommt". Ich dachte natürlich sofort an ein Selbstmordattentat.) Jedenfalls, nach wenigen Sekunden habe ich mich wieder besinnt – es war die Sirene zu den zwei Schweigeminuten, die man jedes Jahr den Opfern des Holocaust widmet. Das ganze Land steht still – die Autos bleiben mitten auf der Strasse stehen, im Radio und im Fernseher kommt auch nur diese Sirene, und das einzige was man dazu hört ist das Bellen der verwirrten Hunde und Eltern, die ihren Kindern erklären – "jetzt nicht reden, nicht lachen, jetzt muss man traurig sein."
Ihr fragt Euch vielleicht, wieso der Holocaustgedenktag bei uns so spät kommt. In Deutschland, wie übrigens in der ganzen Welt, gedenkt man den Opfern am Tag der Befreiung von Auschwitz, in Januar. Die israelische Regierung in den ersten Jahren brauchte aber eine andere Botschaft als "Die Russen haben uns hilflosen gerettet, die Hölle war vorbei." Also nahm man den Jahrestag des Aufstands des Warschauer Ghettos. Wie sehr wollte man in den ersten Jahren nach der Shoa Anzeichen von jüdischem Widerstand finden, den jungen Israelis zeigen – schaut, auch in den dunkelsten Stunden des jüdischen Volkes, gegen die unbesiegbare deutsche Macht, hat man gekämpft, ist man nicht wie Lämmer zum Schlachthaus gegangen. Es ist auch kein Zufall, dass dieser Gedenktag eine Woche vor dem Unabhängigkeitstag Israels platziert wurde. Für viele Menschen, Juden und Nicht-Juden, ist Israel die Antwort auf den Holocaust. Ich muss sagen, für mich ist aber die Shoa keine Frage.
Gestern haben wir an der Oper die dritte Vorstellung von der "Jüdin" gespielt. Ich stand draußen, um ein wenig Wärme von der Sonne zu bekommen. Neben mir stand ein Chorsänger, angekleidet wie ein Kardinal. Wir haben ein wenig über die Gedenktage und über Politik geredet, und wie alles in Israel so furchtbar kompliziert ist. "Zumindest ist diese Oper einfach", sagte er. "Juden gegen Christen, Christen gegen Juden, und ein verrückter Kapellmeister gegen alle." Er grinste mich an, drückte seine Zigarette aus, und ging zurück ins Theater.
Euch allen ein schönen Wochenende,
Euer Ofer
Es ist schon etwas länger her, seitdem ich das letzte Mal diese emotionale Achterbahn Israels mitgemacht habe. In Deutschland gibt es wenig Verlangen danach, sich gemeinsam zu erinnern wieso man in diesem Land lebt und was alles passieren musste sodass man hier ist. Man ist einfach da, es ist eine Tatsache der Natur, Deutschland gehörte ja den Deutschen, oder ihren Vorfahren, seit den Tagen an denen sie (die Vorfahren) Mammuts hinterher gelaufen sind. Ihr habt ja keinen 2000 jährigen Spaziergang durch die Welt gemacht, oder wie Moritz Bleibtreu es fabelhaft formuliert hat, als er von Lucas Gregorowicz in dem Film "Lammbock" gefragt wird, ob er nie Angst hat dass er hier nie wegkommt. "Wieso? Ist doch schön hier!". Hätte er das den Juden um 72 A.D. gesagt, hätten wir einige Probleme weniger gehabt.
Am letzten Montag, also am Holocaustgedenktag, stand ich in der Küche und habe den Abwasch gemacht. Das Fenster stand offen, und ich genoss die kühle Brise während ich Hummus-Überreste von den Tellern abwischte. Auf einmal hörte ich eine Sirene. Ich meine keine Polizeisirene, sondern eine echte, bluteinfrierende Kriegssirene. Ich war in meinen Gedanken zu meiner Kindheit, zu den Tagen des Golfkriegs als die irakischen Raketen uns auf den Kopf geflogen sind, zurückgekehrt. (Übrigens, darüber könnte man auch mal was schreiben – über das Klanggedächtnis. Ich saß einmal mit zwei Kollegen des Berliner Rundfunk Sinfonie Orchesters auf unser Konzert wartend, im Hotel in Prag. Auf einmal hörten wir aus der Stadt den Klang einer Explosion. Meine Kollegen, beide Ossis, sagten einstimmig "der Russe kommt". Ich dachte natürlich sofort an ein Selbstmordattentat.) Jedenfalls, nach wenigen Sekunden habe ich mich wieder besinnt – es war die Sirene zu den zwei Schweigeminuten, die man jedes Jahr den Opfern des Holocaust widmet. Das ganze Land steht still – die Autos bleiben mitten auf der Strasse stehen, im Radio und im Fernseher kommt auch nur diese Sirene, und das einzige was man dazu hört ist das Bellen der verwirrten Hunde und Eltern, die ihren Kindern erklären – "jetzt nicht reden, nicht lachen, jetzt muss man traurig sein."
Ihr fragt Euch vielleicht, wieso der Holocaustgedenktag bei uns so spät kommt. In Deutschland, wie übrigens in der ganzen Welt, gedenkt man den Opfern am Tag der Befreiung von Auschwitz, in Januar. Die israelische Regierung in den ersten Jahren brauchte aber eine andere Botschaft als "Die Russen haben uns hilflosen gerettet, die Hölle war vorbei." Also nahm man den Jahrestag des Aufstands des Warschauer Ghettos. Wie sehr wollte man in den ersten Jahren nach der Shoa Anzeichen von jüdischem Widerstand finden, den jungen Israelis zeigen – schaut, auch in den dunkelsten Stunden des jüdischen Volkes, gegen die unbesiegbare deutsche Macht, hat man gekämpft, ist man nicht wie Lämmer zum Schlachthaus gegangen. Es ist auch kein Zufall, dass dieser Gedenktag eine Woche vor dem Unabhängigkeitstag Israels platziert wurde. Für viele Menschen, Juden und Nicht-Juden, ist Israel die Antwort auf den Holocaust. Ich muss sagen, für mich ist aber die Shoa keine Frage.
Gestern haben wir an der Oper die dritte Vorstellung von der "Jüdin" gespielt. Ich stand draußen, um ein wenig Wärme von der Sonne zu bekommen. Neben mir stand ein Chorsänger, angekleidet wie ein Kardinal. Wir haben ein wenig über die Gedenktage und über Politik geredet, und wie alles in Israel so furchtbar kompliziert ist. "Zumindest ist diese Oper einfach", sagte er. "Juden gegen Christen, Christen gegen Juden, und ein verrückter Kapellmeister gegen alle." Er grinste mich an, drückte seine Zigarette aus, und ging zurück ins Theater.
Euch allen ein schönen Wochenende,
Euer Ofer
Samstag, 10. April 2010
Israelisches Tagebuch 24
Liebe Freunde,
Das Pesach-Fest ist vorbei. Gott hat für uns wieder das Meer in zwei geteilt, Moses hat Pharao gezeigt wer hier das Sagen hat, und meine Mutter, die sonst nie Wein trinkt, genoss den süßen Pesachwein und sang jiddische Lieder bis spät in die Nacht. An der Oper spielen wir grade "Die Jüdin" von Halevi mit einer phantastischen Besetzung, und an der Uni studiere ich über die Polnisierung von Ostpreußen. Soweit die Schlagzeilen.
Ich hatte das große Glück, eine Familie eines guten Freundes aus Nürnberg zugast bei mir, also bei uns, zu haben. Mein Freund, ein ehemaliger Kollege von mir, bat mich darum einen Plan zu schmieden um das ganze Land in einer Woche zu sehen. Ich glaube, um Israel richtig kennen zu lernen braucht man ein Jahr, aber ich habe mein bestes gegeben, und glaube, eine anständige Woche auf die Beine gestellt zu haben.
Ich erspare Euch den genauen Weg, Ihr könnt Euch aber schon ausdenken dass Jesus ein ziemlicher Star dabei war- Ich wollte Euch aber von einem Moment berichten der mich zum Nachdenken brachte.
Nachdem wir den Ort besucht haben, an dem Jesus getauft wurde, sind wir durch das Jordan Tal gen Jerusalem gefahren. Die Landschaft in diesen Gegenden ist zauberhaft – dieses Tal liegt im Herzen des Syrisch-afrikanischen Bruchs, und führt vom See Genezareth zum Toten Meer. Die Strasse, "Kvish-Habikaa", die entlang des Jordan-Flusses, also entlang der Grenze zwischen Israel und Jordan (oder besser gesagt, das Haschimitische Jordanische Königreich) gebaut wurde, kenne ich gut aus meiner Kindheit, als wir meinen Papa (und danach, meinen Bruder) der dort seinen Reservistendiesnt leistete besucht haben. Rechts und links von ihr ragen die Berge von Judäa und Moav, und je südlicher man fährt, wird die Landschaft wüstenartiger und trockener. Ungefähr auf ein drittel Strecke zwischen den Meeren sieht man plötzlich ein Häuschen mit ein Paar Soldaten, ein Unofahrzeug, zwei staubige Flaggen, und ein Schild mit der Aufschrift, "Langsam fahren, Strassenbarriere". Wir fuhren daran vorbei, nachdem wir das internationale Gesetz hinter uns gelassen haben, und hoppla – wir waren im Westjordanland. Anderthalb Stunden später, Taten wir das gleiche, nur umgekehrt – wir fuhren aus den Besetzten Gebieten ins Jerusalemer, also israelische Gebiet, durch einen ähnlichen Checkpoint. Ich ahnte schon dass es interessant wird, als ich ein stilles Stöhnen aus der Richtung der Rückbank hörte. Es war die ältere Tochter, und sie hatte anscheinend eine Frage. "Ofer, was war das grade?"
"Ein Checkpoint."
"Wie eine Grenzkontrolle?"
"Nein, ähhh…. Noch nicht, aber doch irgendwie."
"Also wie jetzt?"
"Na ja, das ist die Grenze zwischen den Besetzten Gebieten und Israel."
"Aber wir wurden nicht angehalten und mussten unsere Pässe nicht zeigen. Ist das nicht komisch?"
"Ja ja, sehr komisch", (da fing ich an zu schwitzen. Ich ahnte böses.) "Wir dürfen durch diese Grenze auch ohne Pass fahren."
"Dürfen es nicht alle?"
Da habt Ihr es. Ich erspare Euch die Klischees über Kinder, aber das ist nun mal ein echtes Paradebeispiel. Wie soll meine nächste Antwort aussehen? Liebes Mädchen, alle dürfen hier passieren, nur Araber aus den besetzten Gebieten nicht? Sie haben uns nicht kontrolliert weil wir ein israelisches Kennzeichen haben und helle Haut? Es gab eine Zeit, in der böse Menschen aus diesen Gegenden hier unsere Busse, Cafés, Restaurants in die Luft gejagt haben?
Ich habe dem Mädchen die kurze Variante der Wahrheit erzählt, und habe einfach gesagt, "Nein, nicht alle dürfen hier durch. Wir aber schon. Habt Ihr Hunger?"
Man redet immer darüber, wie oberflächlich die Kinder unserer Zeit sind, wie verwöhnt und frech. Ich glaube aber, in Punkto Gerechtigkeit ist ihr innerer Kompass richtig gerichtet, oder zumindest besser als der einiger Erwachsenen.
Ich wünsche Euch allen ein ruhiges Wochenende,
Euer Ofer
Das Pesach-Fest ist vorbei. Gott hat für uns wieder das Meer in zwei geteilt, Moses hat Pharao gezeigt wer hier das Sagen hat, und meine Mutter, die sonst nie Wein trinkt, genoss den süßen Pesachwein und sang jiddische Lieder bis spät in die Nacht. An der Oper spielen wir grade "Die Jüdin" von Halevi mit einer phantastischen Besetzung, und an der Uni studiere ich über die Polnisierung von Ostpreußen. Soweit die Schlagzeilen.
Ich hatte das große Glück, eine Familie eines guten Freundes aus Nürnberg zugast bei mir, also bei uns, zu haben. Mein Freund, ein ehemaliger Kollege von mir, bat mich darum einen Plan zu schmieden um das ganze Land in einer Woche zu sehen. Ich glaube, um Israel richtig kennen zu lernen braucht man ein Jahr, aber ich habe mein bestes gegeben, und glaube, eine anständige Woche auf die Beine gestellt zu haben.
Ich erspare Euch den genauen Weg, Ihr könnt Euch aber schon ausdenken dass Jesus ein ziemlicher Star dabei war- Ich wollte Euch aber von einem Moment berichten der mich zum Nachdenken brachte.
Nachdem wir den Ort besucht haben, an dem Jesus getauft wurde, sind wir durch das Jordan Tal gen Jerusalem gefahren. Die Landschaft in diesen Gegenden ist zauberhaft – dieses Tal liegt im Herzen des Syrisch-afrikanischen Bruchs, und führt vom See Genezareth zum Toten Meer. Die Strasse, "Kvish-Habikaa", die entlang des Jordan-Flusses, also entlang der Grenze zwischen Israel und Jordan (oder besser gesagt, das Haschimitische Jordanische Königreich) gebaut wurde, kenne ich gut aus meiner Kindheit, als wir meinen Papa (und danach, meinen Bruder) der dort seinen Reservistendiesnt leistete besucht haben. Rechts und links von ihr ragen die Berge von Judäa und Moav, und je südlicher man fährt, wird die Landschaft wüstenartiger und trockener. Ungefähr auf ein drittel Strecke zwischen den Meeren sieht man plötzlich ein Häuschen mit ein Paar Soldaten, ein Unofahrzeug, zwei staubige Flaggen, und ein Schild mit der Aufschrift, "Langsam fahren, Strassenbarriere". Wir fuhren daran vorbei, nachdem wir das internationale Gesetz hinter uns gelassen haben, und hoppla – wir waren im Westjordanland. Anderthalb Stunden später, Taten wir das gleiche, nur umgekehrt – wir fuhren aus den Besetzten Gebieten ins Jerusalemer, also israelische Gebiet, durch einen ähnlichen Checkpoint. Ich ahnte schon dass es interessant wird, als ich ein stilles Stöhnen aus der Richtung der Rückbank hörte. Es war die ältere Tochter, und sie hatte anscheinend eine Frage. "Ofer, was war das grade?"
"Ein Checkpoint."
"Wie eine Grenzkontrolle?"
"Nein, ähhh…. Noch nicht, aber doch irgendwie."
"Also wie jetzt?"
"Na ja, das ist die Grenze zwischen den Besetzten Gebieten und Israel."
"Aber wir wurden nicht angehalten und mussten unsere Pässe nicht zeigen. Ist das nicht komisch?"
"Ja ja, sehr komisch", (da fing ich an zu schwitzen. Ich ahnte böses.) "Wir dürfen durch diese Grenze auch ohne Pass fahren."
"Dürfen es nicht alle?"
Da habt Ihr es. Ich erspare Euch die Klischees über Kinder, aber das ist nun mal ein echtes Paradebeispiel. Wie soll meine nächste Antwort aussehen? Liebes Mädchen, alle dürfen hier passieren, nur Araber aus den besetzten Gebieten nicht? Sie haben uns nicht kontrolliert weil wir ein israelisches Kennzeichen haben und helle Haut? Es gab eine Zeit, in der böse Menschen aus diesen Gegenden hier unsere Busse, Cafés, Restaurants in die Luft gejagt haben?
Ich habe dem Mädchen die kurze Variante der Wahrheit erzählt, und habe einfach gesagt, "Nein, nicht alle dürfen hier durch. Wir aber schon. Habt Ihr Hunger?"
Man redet immer darüber, wie oberflächlich die Kinder unserer Zeit sind, wie verwöhnt und frech. Ich glaube aber, in Punkto Gerechtigkeit ist ihr innerer Kompass richtig gerichtet, oder zumindest besser als der einiger Erwachsenen.
Ich wünsche Euch allen ein ruhiges Wochenende,
Euer Ofer
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